Deutschland, im Jahr 2084. Die Kriminalkommissarinnen Alex Saciem und Maya Untersberger untersuchen den Fall einer Kindesentführung. Zunächst scheint die Sache eindeutig und der Täter schnell ausfindig gemacht. Doch ist wirklich alles so, wie es scheint?
«Na endlich», murmelte Alex zwischen zusammengebissenen Zähnen, während sie noch mit beiden Händen damit beschäftigt war, ihre rote Mähne zu bändigen. Sie war so auf ihr Spiegelbild fixiert gewesen, dass sie kaum auf die Strecke geachtet hatte. Aber das war bei den selbstfahrenden Autos heutzutage auch kaum mehr nötig.
«PIMU: Suche Parkplatz im Umkreis von 20 Metern», wies sie das Gefährt an.
«Verstanden. Initiiere Suche nach geeignetem Parkplatz in einem Radius von 20 Metern.»
Alex verzog die Mundwinkel zu einer Grimasse. Dass das Ding jedes Wort wiederholen musste, wie so ein elektronischer Papagei, war ihr schon von Anfang an auf die Nerven gegangen. Andererseits war es im Straßenverkehr natürlich der Fahrsicherheit geschuldet, durch die akribische Bestätigung jedes Befehls die reibungslose Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sicherzustellen. PIMU, das war das Akronym für Personal Intelligent Mobility Unit. Wer etwas auf sich gab und außerdem bereit war, genug Geld dafür auf den Tisch zu legen, besaß eines. Bei dem Gedanken musste Alex schmunzeln. «Geld auf den Tisch legen», das war schon wieder so eine antiquierte Redewendung, bei der man sich kaum mehr vorstellen konnte, woher sie wohl stammen mochte. Dabei war es eigentlich noch gar nicht so lange her. Vor nur etwa 70 Jahren hat man bei Transaktionen tatsächlich noch richtige Münzen und Geldscheine ausgetauscht. Wie viele Keime dabei ebenfalls die Seiten wechselten, wollte sich die junge Frau gar nicht erst vorstellen.
«Ziel erreicht. Ich wünsche dir einen angenehmen Aufenthalt.» Das leise Surren der Technik verstummte und die Displays schalteten sich selbstständig ab.
«Danke vielmals», entgegnete Alex der künstlich generierten Stimme, während sie den Knopf zum Öffnen der Seitentür betätigte. Eine PIMU war die bei Weitem angenehmste Art der Fortbewegung innerhalb der Stadt. Allerdings konnte sich nur eine sehr überschaubare Anzahl an Menschen eine leisten. Natürlich abgesehen von den Angestellten in systemkritischen Berufen. So stand jeder Kommissarin und jedem Kommissar der Kriminalkommission eine persönliche PIMU zur Verfügung, man konnte sogar die bevorzugte Farbe wählen. Alex liebte ihren Job allein dafür.
Etwas verloren stand sie nun mitten in einem mittelständischen Wohngebiet. Das Haus direkt vor ihr musste die Adresse des Tatortes sein, doch von ihrer Kollegin Maya fehlte jede Spur. Gerade wollte sich die junge Kriminalkommissarin wieder in ihr Fahrzeug setzen, um die Wartezeit angenehmer zu gestalten, als ein glänzend schwarzer Oldtimer mit quietschenden Reifen um die Ecke schoss. Durch die leicht getönten Scheiben konnte Alex die Fahrerin des Audi e-tron, Baujahr 2020, dabei beobachten, wie sie hektisch, aber routiniert am Lenkrad kurbelte, um den antiquierten Wagen manuell hinter Alex’ PIMU zu parken. Auch nach drei Jahren Dienstzeit an der Seite der Kriminalhauptkommissarin Maya Untersberger war sie noch immer fasziniert von der seltsamen Vorliebe ihrer Vorgesetzten. Sogar an der Autotür musste man noch an einem mechanischen Griff ziehen, um aussteigen zu können.
«Guten Morgen, Maya!», warf Alex der groß gewachsenen, Ende 30-jährigen Frau entgegen, die gerade aus dem Auto kletterte.
«Morgen», brummelte diese und warf sich eine abgetragene, schwarze Lederjacke über, unter der sie ihre Dienstwaffe vor oberflächlichen Blicken verbergen konnte. «Tut mir leid für die Verspätung. Ich wollte eigentlich pünktlich losfahren, aber die Solarzelle auf dem Wagen hat sich schon wieder gelöst gehabt…» Maya wartete keine Antwort ab, sondern fuhr mit einem Kopfnicken in Richtung des Mehrfamilienhauses vor ihnen fort: «Da wären wir also. Einbruch, Kindesentführung, aller Wahrscheinlichkeit nach heute Nacht. Die Mutter alarmierte heute Morgen gegen halb sechs die Polizei. Bist du soweit? Dann lass’ uns das doch einmal ansehen.» Mit diesen Worten marschierte sie an ihrer jungen Kollegin vorbei und auf die Haustür zu.
In einer Kieler Wohnung wird die Leiche eines jungen Neurowissenschaftlers aufgefunden. An der Wand prangt das blutrote Symbol von Liberty of Mind, einer gewaltbereiten Gruppierung, die sich offen gegen das exzessive und mittlerweile in allen Bevölkerungsschichten alltägliche Gehirndoping ausspricht.
Obwohl Kriminalkommissar Arthur Morgenroth gerade erst in den Dienst zurückgekehrt ist, nimmt er die Ermittlungen auf. Schon bald wird dieser Fall für ihn nicht nur zu einer beruflichen, sondern auch zu einer persönlichen Bewährungsprobe.
Science-Fiction-Krimi oder Gesellschaftsportrait?
Es ist der Abend des 19. Novembers 2029. Ein junger Wissenschaftler wird in seiner Kieler Wohnung grausam ermordet. Die emotionsgeladene Tat zeugt von immenser Wut, weist aber zugleich eine berechnende und kaltblütige Handschrift auf. Nachdem auch noch Aufnahmen vom Tatort in den sozialen Netzwerken veröffentlicht werden, ermitteln die Kriminalkommissare Charlotte Drey und Arthur Morgenroth unter dem erdrückenden und urteilenden Blick der Öffentlichkeit. Obwohl es verschiedene Hinweise gibt, steht die Polizei zunächst vor einem Rätsel.
Abwechselnd aus den Blickwinkeln des Ermittlerduos bestehend aus Charlotte und Arthur, außerdem Irma Nessaus, der Mutter des Opfers, sowie dessen Lebensgefährtin Josefine Krist handelt Anna Lena DielsBetäubter Wille von den Untersuchungen rund um den schrecklichen Mord an dem Neurowissenschaftler Benjamin Nessau, der ganz Kiel in Atem hält. Wir lernen die Gedanken- und Gefühlswelt dieser vier Charaktere kennen, ihre Reflexionen über das Opfer und über die Tat – und über ihr eigenes Leben. Während die Ermittelnden Tage wie Nächte durcharbeiten, um Indizien zu sammeln und tatverdächtige sowie angehörige Personen zu verhören, scheinen Letztere nicht nur an einer raschen Aufklärung des Verbrechens interessiert, sondern in erster Linie von den Konsequenzen des brutalen Mordes für ihre eigene Zukunft eingenommen.
Denn bei Betäubter Wille handelt es sich um weit mehr als nur einen klassischen Polizeikriminalroman. Die Erzählung spielt in exakt neun Jahren, nämlich zwischen dem 19. und dem 23. November 2029. In dieser nahen Zukunft finden sich die Lesenden schnell zurecht, denn auf den ersten Blick eröffnen sich kaum Unterschiede zu unserer heutigen Gesellschaft in Deutschland. Doch der Schein trügt. Ganz im Sinne einer gewissenhaften Science-Fiction beruft sich Betäubter Wille auf aktuell relevante Forschungen und gesellschaftliche Entwicklungen, um diese auf durchaus überzeugende Weise in die nahe Zukunft zu extrapolieren.
Neben einigen technischen Spielereien, die unter anderem maßgeblichen Einfluss auf die Verbrechensaufklärung und die letztendliche Entlarvung der Tat nehmen, zeichnet die Gesellschaft von Betäubter Wille ein allumfassender Leistungsdruck aus. Nein, ein regelrechter Leistungszwang! Denn wer sich hier nicht mit sogenannten «Neuroenhancern» vollpumpt, um jegliche Impulse und Affekte zu kontrollieren, Müdigkeitssymptome zu unterdrücken, die Konzentrationsfähigkeit zu steigern, körperliche Schmerzen zu vergessen oder die eigene Stimmung aufzuhellen – eine Verstimmung, die länger als einen Tag andauert, gilt bereits als Depression –, und wer sich gar erlaubt, mehr als zwei Wochen über den Verlust eines nahestehenden Menschen zu trauern… ja, die*derjenige wird nicht nur von ihren*seinen Mitmenschen mit Verachtung gestraft, sondern muss unmittelbar um die eigene Jobsicherheit bangen. Weigert sich nämlich jemand, die eigene Leistung bequem mit den unzähligen bunten Pillen ins Übermenschliche zu steigern, dann schiebt diese Person ihre Arbeit eigentlich nur auf ihr Umfeld ab. Ein solch «unsoziales» Verhalten darf keinesfalls toleriert werden. Zumindest laut der Logik dieser Gesellschaft.
Tatsächlich aber ist diese Vision der nahezu grenzenlosen menschlichen Leistungssteigerung in Betäubter Wille näher an unserer Realität angesiedelt, als man auf den ersten Blick vermuten mag. Denn insbesondere im universitären Umfeld ist es bereits heute gang und gäbe, etwa das ADHS-Medikament Ritalin zu missbrauchen, um das immense Lernpensum bewältigen zu können. Auch psychoaktive Drogen, wie LSD, die berühmten «Magic Mushrooms» oder Heroin, häufig in sogenannten Microdosen, sollen die eigene Laune sowie die Konzentrationsfähigkeit steigern und so zu effizienterem Arbeiten verhelfen – und werden auf nahezu jedem Universitätscampus gehandelt. Vor dem Hintergrund, dass die Tendenz des gesellschaftsfähigen «Neuroenhancing» bereits heute unter der Oberfläche der gesellschaftlichen Akzeptanz brodelt, schlichtweg, weil die betroffenen Personen keine andere Möglichkeit sehen, um dem immensen, heutzutage herrschenden Leistungsdruck standzuhalten, ist es nur noch ein sehr kleiner Schritt, um den Weltentwurf von Betäubter Wille als gegeben zu akzeptieren.
Sicherlich wirkt sich der alltägliche Drogenmissbrauch des Romans auf langfristiger Sicht negativ auf den menschlichen Organismus aus, denn ein kontinuierliches Überschreiten der eigenen körperlichen Grenzen kann natürlicherweise nicht folgenlos bleiben. Dies ist den Figuren offenbar auch bewusst, wird aber geflissentlich ignoriert, was ich als sehr authentisch empfinde. Wirft man einen Blick auf die unzähligen Medikamente, Nahrungsmittel und Praktiken, die heutzutage und teilweise schon seit Jahrzehnten als massiv gesundheitsschädlich entlarvt sind, aber noch immer ungeniert konsumiert und praktiziert werden, dann ist der Umgang mit den Drogen in Betäubter Wille nur eine konsequente Fortführung unserer derzeitigen Gesellschaftspolitik. Man denke etwa an die Antibabypille, den übermäßigen Einsatz von Antibiotika in der Fleischproduktion oder die Verwendung von Zucker und Geschmacksverstärkern in nahezu jedem Nahrungsmittel…
Ein charakterstarkes Meisterwerk
Die Lektüre von Anna Lena Diels hervorragend recherchiertem Kriminalroman bietet eine genüssliche Mischung aus authentischen Charakteren, einem flüssigen und mitreißenden Schreibstil, vielschichtigen Perspektiven auf gesellschaftliche Entwicklungen, einen spannenden Handlungsbogen – und schließlich eine ordentliche Portion Lyrik. Denn für Arthur Morgenroth, der sich dem unterschwelligen Zwang des «Neuroenhancing» zu entziehen versucht, stellen Gedichte, insbesondere jene Rainer Maria Rilkes, einen ganz persönlichen, haltgebenden Anker im reißenden Fluss des Leistungsdrucks dar. Sie rufen ihm die Schönheit und Stärke der richtigen Worte im richtigen Augenblick in den Sinn, die Faszination der (menschlichen) Natur und des Lebens. Sie eröffnen ihm Wahrnehmungen, Gefühle, Intuitionen, die ihm unter dem Einfluss der Drogen schlichtweg entzogen werden. Die zahlreichen Gedichtfragmente, die beiläufig, aber immer passend, in den Erzähltext eingeflochten sind, lockern die Handlung auf und verleihen ihr zugleich eine ungeahnte Tiefe.
Dabei gelingt es der Autorin in Betäubter Wille, mit nur vier Protagonisten und einer Handvoll Nebencharaktere eine umfassende Diversität und Mehrdimensionalität der Gesellschaft abzubilden. Während sich der zentrale Protagonist Arthur gegen jenen Druck stemmt, bauen etwa seine Kollegin Charlotte und Josefine, die Lebensgefährtin des Opfers, ihre Karrieren und ihr ganzes Leben auf jenen Substanzen auf. Die vollständige Impulskontrolle ist die gesellschaftliche Norm in Betäubter Wille, nicht einmal die Mutter eines grausam ermordeten jungen Mannes darf ihre Trauer in der Öffentlichkeit durchblicken lassen. Doch was macht diese Praktik mit den Menschen? Hinter den emotionslosen, immerwährend funktionierenden Fassaden verbergen sich irgendwo noch Individuen. Eine Auswahl davon lernen wir in Betäubter Wille kennen – und schließlich verstehen.
Betäubter Wille ist ein überaus gelungener Science-Fiction-Krimi, der seine Lesenden von der ersten bis zur letzen Seite zu fesseln vermag. Der flüssige und detailreiche Schreibstil lässt seine Rezipierenden so schnell nicht mehr los, wobei Anna Lena Diel einen Balanceakt zwischen dem stetigen, spannungsaufbauenden Handlungsfortschritt und der individuellen Gedankenwelt der Figuren, ihren Ängsten, Sorgen und ihrer Vergangenheit meistert. Ich habe Betäubter Wille im wahrsten Sinne des Wortes verschlungen. Die Mischung aus naheliegender und doch erschreckender Zukunftsvision und klassischem Polizeikrimi macht den Roman zu einem absoluten Meisterwerk, das mich in vollem Umfang begeistert.
In diesem Sinne muss ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen, denn lange hat mich ein Roman nicht mehr so gepackt.
Einen kleinen Einblick in das intensive erste Kapitel des Romans bietet euch diese Hörprobe – hört doch mal rein!
Mein Exemplar von Betäubter Wille habe ich im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks erhalten. Ich bedanke mich herzlich bei der Autorin Anna Lena Diel für die Zusendung des Rezensionsexemplars!
Dark Souls: The Card Game is a cooperative deck evolution card game for 1–4 players. Players must explore the Encounters around them, defeating a myriad of enemies to gain Souls and Treasure.
They must use these to evolve and adapt their deck to better fight their enemies. When the players are ready, they must challenge the powerful bosses that lie within.
The players must walk a narrow path, however, since their decks allow them to attack their enemies, but also represent their health. Decks are only refreshed when the players rest at the bonfire, so players must defeat their enemies while husbanding their strength for the greater challenges ahead.
Thinking quickly and adapting to the enemy’s attacks is key for survival. A misstep can be fatal, but the rewards of success are great. Adapt your deck, evolve your strategy, and prepare to die.
Wenn Story auf Taktik trifft
Wer kennt es nicht: Dark Souls (2011) aus dem Hause From Software. Bei der Frage nach den schwierigsten Videospielen stets ganz oben mit dabei, fasziniert Dark Souls seit Jahren unzählige Spielende und hat 2014 und 2016 nicht nur zwei direkte Nachfolger erhalten, sondern sogar den Grundstein des Subgenres der «Souls-like Games» gelegt – welchem wiederum gleichermaßen Bewunderung wie Verachtung entgegenschlägt. Nach einem Brettspiel aus dem Jahr 2017 gesellte sich Dark Souls ein Jahr später schließlich auch unter die Kartenspiele. Genau genommen handelt es sich storytechnisch um eine Adaption von Dark Souls III, doch das allgemeine Dark Souls-Feeling steckt in jedem Fall drin.
Zugegeben, beim Auspacken des Spiels fühlt man sich erst einmal ein wenig erschlagen. Da ist das zwar wunderschöne, aber immerhin 24-seitige Regelheft, drei nicht weniger detailreich gestaltete, kompakte Spielfelder, rund 60 vorgestanzte Tokens aus Pappe und schließlich ganze 407 Spielkarten. Als leidenschaftliche Leserin vertiefte ich mich natürlich erst einmal in das durchaus komplexe Regelwerk, was auch nötig ist.
Neben den vier vorgefertigten Starterdecks zu den Charakteren Knight, Herald, Sorcerer und Assassin, von denen alle Spielenden jeweils eines wählen müssen, gibt es auch noch Karten für das zentrale Leuchtfeuer, unterschiedlich wertvolle Treasure Cards mit Waffen, Rüstungen und sonstigen Items, die gelootet werden können, Stamina Cards für die Attribute Stärke, Geschicklichkeit, Intelligenz und Glaube, mithilfe derer die Spielenden Angriffe durchführen und abwehren, sogenannte Encounter Cards für die unterschiedlichen Spawnareale, Karten für normale Gegner in drei unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und schließlich vier Bosskarten samt individuellem Angriffsset – alle aus dem Universum von Dark Souls III. Hinzu kommen die Tokens für erworbene Seelen, Schadenspunkte und besiegte Gegner sowie die vier im Kampf möglichen Statusveränderungen Blutung, Vergiftung, Erfrierung und Taumel.
Das alles mag auf den ersten Blick ziemlich komplex anmuten, doch wer einen Titel der Videospielreihe Dark Souls kennt, wird schnell gewisse Muster wiedererkennen. So können die Spielenden ans Leuchtfeuer zurückkehren, um sich zu heilen oder mittels der von besiegten Gegnern erworbenen Seelen neue Items zu kaufen, wobei alle Spielenden stets als Team agieren müssen und sämtliche Entscheidungen gemeinsam treffen. Stirbt eine Spielfigur im Kampf, so sind alle Schätze und Seelen seit dem letzten Leuchtfeuerbesuch verloren und die Gruppe wird dorthin zurückgesetzt. Außerdem respawnen bei einer Aktivierung des Leuchtfeuers alle normalen Gegner, aber nicht die bereits besiegten Bosse. Die rundenbasierten Kämpfe selbst sind eine an taktischer Vorgehensweise orientierte Gruppenschlacht, bei der jede Handlung wohlüberlegt sein mag, und die sich als Ringen um jeden einzelnen Lebenspunkt entpuppt.
Dabei verfügt das Spiel über zwei Erkundungskarten mit jeweils fünf Gebieten und zwei Bossen, wobei man sich zu Beginn der Spielrunde für eine der beiden entscheiden muss. Die darauf abgebildeten Spawnareale wiederum sind mit unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen versehen, die Hinweise über die zu erwartende Anzahl und Stärke der Feinde, aber auch über das belohnende Loot geben. Aufgrund des für Dark Souls typischen, hohen Schwierigkeitsgrades müssen die Vor- und Nachteile jedes einzelnen Schrittes immer wieder ausdiskutiert werden. Nach einem Gebiet der Stufe drei oder zwei aneinandergereihten Arealen niedrigerer Stufen werden einem etwa kaum mehr genug Ressourcen verbleiben, um sich einem Boss zu stellen. Ein solcher Weg mag jedoch sinnvoll sein, um mithilfe des erkämpften Loots das eigene Deck zu verbessern… Dabei unterliegen die Spielenden permanent dem Druck des Wissens, dass das Regelwerk des Spiels die möglichen Besuche des Leuchtfeuers auf lediglich fünf Mal beschränkt, was offensichtlich den Rahmen der Spielzeit begrenzen soll.
Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei Dark Souls: The Card Game um ein kooperatives Kartenspiel, bei dem sich alles um die Entwicklung des Decks dreht. In diesem Sinne entscheiden alle Spielenden gemeinsam über jeden Schritt. Welchen Weg nehmen wir? Zu welchem Boss versuchen wir uns durchzukämpfen? Müssen wir erst noch unsere Ausrüstung verbessern, bevor wir dem Boss entgegentreten können? Schaffen wir noch ein Gebiet, oder müssen wir zurück ans Leuchtfeuer, um uns zu heilen? Und schließlich: Wen greife ich an, wohin bewegst du deine Figur, wer nimmt als Tank den Schaden des nächsten Angriffs auf sich, wer überlebt überhaupt die nächste Runde?
Dark Souls Feeling auf ganzer Linie
Kenner – und vor allem natürlich Liebhaber – der Dark Souls-Reihe werden in dem Ambiente des Kartenspiels schnell Déjà-vu-Momente erleben. Den Machern ist es doch tatsächlich gelungen, das aufwändige Skillsystem, die nervenaufreibenden und bisweilen auch frustrierenden Kämpfe, die zahlreichen Gegner und schließlich die einzigartigen Bosse der Videospiele in das Kartenspielformat zu übertragen. Dabei schürt Dark Souls: The Card Game mit seiner kunstvollen Concept Art aus den digitalen Spielen schon auf den ersten Blick großen Eindruck und lässt direkt ein gewisses Gefühl der Wiedererkennung und der Authentizität entstehen.
Für eine kleine Enttäuschung bei diesem doch respektablen Preis von knapp 45 Euro sorgt die geringe Auswahl von nur vier spielbaren Charakteren und ebenso vier Bossen, die relativ wahllos aus dem Videopiel gegriffen scheinen, während Stamina- und Schatzkarten nahezu im Überfluss vorhanden sind. Fans des Kartenspiels können sich aber natürlich auch die beiden Erweiterungen für nochmal je 30 Euro zulegen, die laut Beschreibung jeweils neue Avatare, Bosse und Spielmechaniken mitbringen. Das wirkt allerdings ein bisschen so, als hätte man das gesamte Spiel in drei Teile aufgebrochen, um es mit insgesamt über 100 Euro teurer verkaufen zu können…
Insgesamt jedoch überzeugt Dark Souls: The Card Game mit seiner Atmosphäre, die nicht nur ein komplexes Spielprinzip, sondern auch das düstere und melancholische Universum von Dark Souls III in die Welt der Kartenspiele überträgt. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei keineswegs zu unterschätzen, denn die Devise «Prepare to Die» ist auch hier Programm. Wir spielen Dark Souls: The Card Game zu zweit und haben es nach einer erschütternden Niederlage erst geschafft, das Spiel zu gewinnen, als wir bei der Regel des auf fünf Besuche begrenzten Leuchtfeuers schließlich ein Auge zugedrückt haben… Was das Erfolgsgefühl im Angesicht des nach unzähligen Versuchen endlich besiegten Bossgegners, das Fans des Franchises aus dem Videospiel kennen, allerdings kaum geschmälert hat. Doch dies wird nicht der letzte Versuch gewesen sein! 😉
In der weltweit größten Sandwüste lauert seit dem Anbeginn der Zeit etwas Ursprüngliches und Böses. Es wartet nur darauf, zu töten.
Kurz nach einem Urlaub im Sultanat Oman richtet ein sechzehnjähriger Teenager in einem norddeutschen Dorf ein Massaker an, in dessen Verlauf er seine Freunde, seine Familie und dann sich selbst tötet. Wenig später verschwindet eine junge Studentin. Privatermittler Christian Harms erhält den Auftrag, sie zu finden. Bald geschehen weitere bestialische Morde und Harms, der Unterstützung von einer attraktiven Nonne bekommt, sieht sich mit einer entsetzlichen Gefahr konfrontiert, die nicht nur seine Glaubensvorstellungen zerstört, sondern auch sein Leben und das vieler weiterer Menschen bedroht.
Wenn das Böse erwacht
Was mit einem idyllischen Familienurlaub beginnt, endet wenige Wochen später in einem blutigen Massaker – und bringt das ultimative Böse in den beschaulichen niedersächsischen Ort Esterwegen. Als dort kurz darauf noch mehr grauenvolle Morde geschehen, fängt sogar der eigenbrötlerische Privatdetektiv Christian Harms an, zu glauben. Gemeinsam mit der Ordensschwester Bernadette nimmt er die Herausforderung des Dschinns an und stellt sich dem Dämon entgegen.
André Wegmanns Dschinn entführt die Lesenden in eine mit ihren knapp 6000 Einwohnern relativ überschaubare norddeutsche Gemeinde. Inmitten ausgedehnter Hochmoore und in unmittelbarer Nachbarschaft der Gedenkstätte Esterwegen, die an das zeitweilig zweitgrößte Konzentrationslager auf deutschem Boden erinnert, generiert dieser real existierende Ort bereits von sich aus Gefühle der Düsternis und Beklemmnis. In anderen Worten: Esterwegen ist der perfekte Schauplatz für einen starken Horrorthriller mit übernatürlichen Elementen.
In Dschinn wechselt von Kapitel zu Kapitel die Erzählperspektive. Auf der einen Seite werden immer wieder neue Figuren eingeführt, die aus einer internen Fokalisierung heraus erzählen und kurze Zeit später auf grausamste Art und Weise das Zeitliche segnen werden, wobei sie zunächst mehr oder weniger lange Momente der blanken Angst durchleben, die wunderbar atmosphärisch aufgebaut werden. Diese überaus bildgewaltigen Berichte werden regelmäßig von Abschnitten aus dem Blickwinkel des Protagonisten Christian Harms heraus unterbrochen, der den schrecklichen Geschehnissen auf der Spur ist.
Wenn auch eine gewisse Vorliebe einiger Figuren zu Alkohol im Allgemeinen und Whiskey im Besonderen sofort ins Auge sticht, so besitzt doch jede ganz klar ihren eigenen, unverkennbaren Charakter. Allen voran natürlich der Protagonist, ein Privatdetektiv und ehemaliger Polizeikommissar, der aufgrund seiner sich nach dem Unfalltod seiner Familie häufenden pathologischen Jähzornattacken aus dem aktiven Dienst ausscheiden musste. Im Rahmen seiner Ermittlertätigkeit wird er auf das Verschwinden einer jungen Studentin im Esterweger Moor angesetzt, wo er auf die außerordentlich gut aussehende – wie bei jeder Gelegenheit betont wird – Nonne Bernadette trifft.
Mit dem verbitterten Atheisten mit Alkoholproblem und der tiefgläubigen Ordensschwester stehen sich im Zentrum von Dschinn zwei Charaktere gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch gerade diesen Differenzen scheint eine gewisse Anziehungskraft innezuwohnen, die sich in erotischen Schwingungen zwischen den beiden manifestiert. Auch wenn Christian Harms sich im Verlauf der Handlung immer mehr in die Nonne verliebt und er mit seinen Gefühlen offenbar nicht allein ist, dreht sich Dschinn nicht um einen banalen sexuellen Tabubruch. Der feuchte Traum zweifelsfrei zahlreicher Männer zeichnet sich zwar ab, steht aber nicht im Mittelpunkt.
Während die ein oder andere Bewertung des Romans in einschlägigen Portalen (wie etwa hier oder hier) die Existenzberechtigung Schwester Bernadettes in der Handlung infrage stellt, kann ich diese Meinung keinesfalls teilen. Obwohl die Erzählung niemals ihre Perspektive einnimmt, gewinnen wir durch die Augen Harms’ einen umfassenden Eindruck ihrer scharfzüngigen Persönlichkeit, aber auch ihrer Ängste und Sorgen. Dies und ihr gutmütiger Charakter machen sie zu einer nahbaren und überaus sympathischen Figur. Außerdem spielt sie als Frau des Glaubens eine wesentliche Rolle im Kampf gegen den Dämon, der Esterwegen bedroht. Denn im Angesicht des Dschinns wird auch die Existenz eines Gottes impliziert und so mancher religiöser Mythos mit neuer Bedeutung versehen.
André Wegmann nimmt in Dschinn kein Blatt vor den Mund. Die zahlreichen Opfer des Dämons, die aufgrund ihrer Vergänglichkeit jeweils nur sehr rudimentär als Charaktere aufgebaut werden, werden allesamt auf abartige Art und Weise hingerichtet. Die Bildgewaltige Sprache des Autors lässt die ausführliche Beschreibung der einzelnen Verstümmelungen und zerfleischten Körperteile – beziehungsweise «Nicht-mehr-Körperteile» – in diesen gorelastigen Szenen geradezu greifbar werden.
Jene intensive Beschreibung der Körperlichkeit, die den brutalen Hinrichtungsszenen ihren immersiven Charakter verleiht, bewirkt allerdings in den expliziten Sexszenen das genaue Gegenteil – was keinesfalls an dem liegt, was dort konkret passiert. Die vulgäre Beschreibung sexueller Handlungen und der beteiligten Körperteile, die mitunter mit zweifelhaften Wortschöpfungen wie «Lustspalte» oder gar falschen Namen bezeichnet werden (nein, eine «Vagina» ist nicht das, was man von außen sieht…), erinnert jedoch an einen Billigporno und erstickt jegliche aufkommende Sinnlichkeit im Keim. Falls es im Sinne des Autors stand, mit den expliziten Erotikszenen einen ähnlichen Ekelfaktor zu erzeugen, wie mit dem allgegenwärtigen Gore, dann ist ihm dies gelungen.
Da es sich bei Dschinn jedoch um einen Horrorroman und nicht um eine Erotikerzählung handelt, steht dieser Kritikpunkt eher am Rande. Der titelgebende Dschinn stellt als übernatürlicher Antagonist dieses mit dem Urban-Fantasy-Genre angehauchten Romans das absolute Böse dar. Eingebettet in einen umfassenden mythologischen Hintergrund aus dem islamischen Glauben überzeugt der Dämon in seiner schaurigen Rolle auf allen Ebenen. Zwischen blinder Rachsucht, ehrgeizigem Konkurrenzkampf und blanker Brutalität macht der Dschinn Esterwegen unsicher und fordert bei seiner ersten Begegnung mit dem Protagonisten diesen schließlich zu einem persönlichem Finale heraus, das noch einmal unzählige Todesopfer fordert. Indem der Dschinn die Form von Tieren annehmen und Menschen besitzen sowie deren Gedanken lesen kann, jagt er den Lesenden gekonnt einen Schreckensschauer nach dem anderen über den Rücken.
Blutiger Horror ohne Blümchen
Mit Dschinn beschert André Wegmann seinen Lesenden einige Stunden brutalen Horrorgenusses, der sie das Buch so schnell nicht mehr aus der Hand legen lässt. Der grobe Handlungsbogen des Romans mag für das Genre nichts Besonderes sein, doch dem Autor gelingt es durch die Kombination uralter Mythologien mit dem für sich schon unheimlichen Setting des Esterweger Moors, wo es offenbar dauernd zu regnen scheint, ein düsteres Gesamtbild zu zeichnen. Inmitten dieses Rahmens überzeugen nicht nur die Protagonisten, sondern vor allem auch der Dschinn als unmittelbares Böses, das auf glaubwürdige Weise die Menschheit in die Verdammnis zu reißen trachtet.
Die banalen, vulgär-deskriptiven Sexszenen, welche die so geschickt aufgebaute Immersion aus Spannung und Schock leider hin und wieder unterbrechen, stellen die große Schwäche dieses sprachgewaltigen Romans dar. Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der Geschlechterverteilung des Figurenpersonals. Fast alle Charaktere, deren Blickwinkel wir als Lesende im Wechsel einnehmen, sind generische Männerfiguren. Die einzigen beiden Frauen sowie das Mädchen, deren Kapitel direkt vor ihrer jeweiligen Verdammnis ausgesprochen kurz ausfallen, sind dagegen als Individuen leider wenig überzeugend.
Abgesehen von den beiden genannten Aspekten, für die es insgesamt einen Punkt Abzug gibt, handelt es sich bei Dschinn um einen soliden Horrorthriller, der die Lesenden mit seinem intensiven und brutalen Erzählstil sowie mit seiner mythologiebasierten Handlung für sich gewinnt, in der eine uralte orientalische Macht auf eine deutsche Gemeinde und ihre nationalsozialistische Vergangenheit trifft. Die Figuren sind zwar relativ einseitig männlich, aber insbesondere der Protagonist Christian Harms überzeugt durch seine authentische, aber auch skrupellose Art. Die Lektüre von Dschinn ist auf schockierende Weise furchterregend und fesselnd zugleich.
Für Horrorbegeisterte spreche ich somit gerne eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus!
Kurz & Bündig
Positiv
Negativ
Schreibstil
Intensiv, immersiv & brutal ★
Vulgär-deskriptive Sexszenen ☆
Spannung
Sehr hoch ★
–
Charaktere
Überzeugend ★
Ausschließlich Cis-männliche Perspektive ☆
Setting
Uralte orientalische Macht trifft auf urdeutsches Moor ★
Beim Top Ten Thursday von Aleshanee (Weltenwanderer) geht es darum, jeden Donnerstag eine Liste aus zehn Titeln zu einem bestimmten, vorgegebenen Thema zusammenzustellen.
Die heutige Aufgabe lautet
10 Bücher mit außergewöhnlichen Schauplätzen
Man könnte hier natürlich einfach bloß zehn High-Fantasyromane aufzählen, denn die spielen ja bekanntlich immer an ganz außergewöhnlichen Orten. Wenngleich sich ein Exemplar dieser Gattung in meine Liste geschummelt hat, da ich es bei diesem Thema einfach nicht ignorieren konnte, spielt der Großteil tatsächlich an mehr oder weniger realen Orten.
Lasst euch überraschen!
Top Ten
1) S. von J. J. Abrams und Doug Dorst
Über S. von J. J. Abrams und Doug Dorst gibt es so viel zu sagen, dass man dem Werk vermutlich eine ganze Blogpostreihe widmen könnte. Die Geschichte selbst – man kann S. an dieser stelle nicht einmal ein richtiges «Buch» nennen – spielt sich größtenteils in einer Universitätsbibliothek ab. Denn dort befindet sich der Roman «Ship of Theseus» des fiktiven Autors V. M. Straka, den die beiden Protagonist*innen Jennifer und Eric immer im Wechsel lesen, kommentieren und dann für den jeweils anderen zurücklassen. Dabei entsteht über die von beiden Literaturwissenschaftler*innen hinein gekritzelten Anmerkungen eine Unterhaltung – und schließlich auch eine spannungsgeladene Handlung –, die den eigentlichen Teil der Geschichte ausmacht. Was die Lesenden aber in der Hand halten, ist eben jenes alte Bibliotheksbuch, von vorn bis hinten überzählt mit den Kommentaren der beiden und vollgestopft mit allerlei Dokumenten, Briefen, Karten, alten Zeitungsartikeln, Notizen… Der fiktive Roman selbst, der in einer dystopischen, phantastisch angehauchten und nicht näher definierten Welt spielt, bietet ganz nebenbei für sich selbst schon düstere, aber hervorragende Unterhaltung. Dieses Buch, dieses Gesamtwerk, ist definitiv etwas ganz Besonderes – nicht nur für Literaturwissenschaftler*innen (als solche ich mich bei dem ein oder anderen Kommentar oder Argumentationsstrang Seitens der Protagonist*innen beim Lesen durchaus ertappt gefühlt habe).
2) Die unendliche Geschichte von Michael Ende
Ja, es ist ein Fantasyroman. Aber kein gewöhnlicher! Die unendliche Geschichte von Michael Ende war die erste klassische Fantasygeschichte, die ich je gelesen habe. Durch sein ungewöhnliches Konzept mit der abwechselnd grünen und roten Schrift markiert der Roman seine beiden Handlungsorte: Der Dachboden einer Schule, wo der Protagonist Bastian Balthasar Bux das aus dem Antiquariat Karl Konrad Koreanders mitgenommene Buch liest, und der Schauplatz der innerfiktionalen «Unendlichen Geschichte» selbst, Phantásien. Während ich den schulischen Dachboden schon als ungewöhnlichen Schauplatz bezeichnen möchte, ist das phantastische Phantásien nochmal ganz einzigartig und sicherlich nicht mit irgend einem anderen klassischen Fantasyroman zu vergleichen.
3) QualityLand von Marc-Uwe Kling
Die Lustige Dystopie von Marc-Uwe Kling spielt, wie der Name schon sagt: In QualityLand! Witzig! – Naja, oder platt, könnte man mir jetzt vorwerfen. Aber die Handlung von QualityLand ist nicht einfach an irgend einem fiktiven Schauplatz angesiedelt. Denn bei diesem Land mit dem generischen Namen handelt es sich um nichts anderes als eine zukünftige Version von Deutschland. Dies verstehe ich als einen besonderen Schauplatz, da es einerseits sowieso viel zu wenige gute deutsche Science-Fiction-Romane gibt, da diese leider häufig von ihren britischen und amerikanischen Pendants abgedrängt werden, und andererseits generell wenige Dystopien in Deutschland spielen. Was diesen Schauplatz also zum Ungewöhnlichen macht, ist vielmehr die Kombination aus geographischem Ort, Handlungszeit und Science-Fiction.
4) Löcher: Die Geheimnisse von Green Lake von Louis Sachar
Louis Sachars Jugendbuchklassiker Löcher wird auch heute noch gerne als Schullektüre verwendet. Das skurrile Abenteuer des Protagonisten Stanley Yelnats spielt sich in einem US-amerikanischen Boot Camp ab. Der Alltag der Jugendlichen, die zumeist auf richterliche Anordnung dort hin geschickt werden, besteht nur aus einem: Löcher graben. Denn sie wissen nicht, dass die Betreiberin des Camps eigentlich nach einer längst verlorenen Beute sucht… In Green Lake ergründen Stanley und sein Freund Hector schließlich ein uraltes Geheimnis, das ihre Familien über die Generationen hinweg verbindet.
5) Tzapalil: Im Bann des Jaguars von Andreas Gößling
Der Abenteuerthriller Tzapalil von Andreas Gößling ist ebenfalls ein Jugendroman, was ihm jedoch nichts von seiner zerreißenden Spannung nimmt – und das noch dazu an einem gleichsam ungewöhnlichen wie mystischen Handlungsort. Denn die Protagonistin Carmen muss mit ihren Eltern aus beruflichen Gründen in eine Stadt im guatemaltekischen Dschungel ziehen. Dort – und im weiteren Verlauf in einer uralten Mayastadt mitten im Urwald – entfalten sich rasch die Ereignisse, als zuerst Carmens Mutter entführt wird, und sie sich schließlich selbst auf macht, die geheimnisvolle Stadt Tzapalil zu suchen, um ihre Mutter zu befreien.
6) Level 4: Die Stadt der Kinder von Andreas Schlüter
Der Protagonist Ben verbringt seine Zeit am liebsten vor dem Computer. Doch als er das neue Spiel «Die Stadt der Kinder» ausprobiert geschieht etwas Unglaubliches: Am nächsten Morgen muss er feststellen, dass alle Erwachsenen verschwunden sind! Wie sich im Laufe der Handlung zeigt, ist die Handlung von Andreas Schlüters Level 4 im Computerspiel selbst angesiedelt. Denn um wieder freizukommen, müssen die Kinder dieses gemeinsam beenden – ein Fehlversuch allerdings könnte tödlich enden…
7) Isola von Isabel Abedi
In Isabel Abedis Isola sitzen zwölf Jugendliche für drei Wochen auf einer idyllischen, aber verlassenen Insel fest. Zu dieser misslichen Lage hat allerdings kein Unglück geführt, sondern ein Filmprojekt. Im Big-Brother-Stil müssen die Jugendlichen sich zusammenraufen und mit ihrem gemeinsamen Alltag dort eine ansprechende Handlung generieren. Für die notwendige Spannung sorgt allerdings der Produzent selbst, indem er die nichtsahnenden Jugendlichen mit einer ausgearbeiteten Version des bekannten Werwolf-Spiels konfrontiert. Als jedoch das erste Opfer tot aufgefunden wird, wandelt sich das Spiel in bitteren Ernst…
8) Krabat von Ottfried Preußler
Ottfried Preußlers Krabat ist der letzte Jugendroman dieser Liste, der allerdings auf einer regionalen Legende beruht. In einer alten Mühle im preußischen Koselbruch bildet ein Müller seine elf Gesellen aus. Jener ist aber kein gewöhnlicher Müllermeister, sondern ein Meister der Schwarzen Magie. Die Anfängliche Euphorie des Straßenjungen Krabat, die sich bei seiner Aufnahme als Lehrling in diese ungewöhnlichen Mühle eigestellte, verfliegt jedoch schnell, als der Protagonist erkennen muss, dass die Schwarze Magie unnachgiebig ihren Preis fordert. Schließlich muss sich Krabat entscheiden: Zwischen seinem Meister, seinen eigenen Fähigkeiten und seiner Liebe.
9) Die Versuchung des Elias Holl von Axel Gora
Der historische Roman Die Versuchung des Elias Holl von Axel Gora spielt im historischen Augsburg. Denn Elias Holl war zu Beginn des 17. Jahrhunderts der Erbauer des Augsburger Rathauses, das trotz seiner Zerstörung durch einen Bombenangriff im zweiten Weltkrieg und der darauffolgenden Rekonstruktion bis heute als eine der wichtigsten Renaissaincebauten nördlich der Alpen gilt. Der Schauplatz mag erst einmal als nichts Besonderes anmuten – für mich ist er das allerdings. Denn Augsburg ist meine Heimatstadt. Wer einmal durch die historische Altstadt Augsburgs spaziert fühlt sich wortwörtlich zurückgeworfen in jene von Umstürzen geprägte Zeit der Renaissance, jene Lebenszeit Elias Holls.
10) Roman eines Schicksallosen von Imre Kertész
Bei der Erwähnung des zweiten Weltkrieges ist der gedankliche Schritt zum Roman eines Schicksallosen von Imre Kertész nicht mehr weit. Der ungarische Schriftsteller und Nobelpreisträger kommt aus einer jüdischen Familie und verarbeitet in diesem Roman seine Erfahrungen als Holocaustüberlebender. Der 15-Jährige Protagonist György berichtet von seinem «Alltag» in den Konzentrationslagern Auschwitz und Buchenwald sowie von seiner letztendlichen Rettung im Rahmen der Befreiung durch die Alliierten. Im Klappentext meiner Ausgabe des Buches steht, dass Kertész hier etwas «Skandalöses» gelungen sei: «die Entmystifizierung von Auschwitz.» Dem ist nichts weiter hinzuzufügen.
Ein Blick und Thiago ahnt, dieses Pferd, das dort abseits der anderen steht und teilnahmslos vor sich hin starrt, ist innerlich ebenso zerbrochen, wie er selbst es einst war. Auf tiefe Weise berührt von dem ehemaligen Galopprennpferd, begibt Thiago sich gemeinsam mit seinem Bruder Cielo auf Spurensuche. Schließlich landet er in jenem Rennstall, in dem der Jockey arbeitet, unter dem Crescent sein letztes Rennen bestritten hat. Doch wie soll Thiago, für den Pferdesport an Tierquälerei grenzt, ausgerechnet von Sam Antworten erhalten, für den auf dem Rücken eines Galoppers zu sitzen den Inbegriff von Freiheit bedeutet?
In Sams Gegenwart muss Thiago erkennen, dass auch im Rennsport nicht alles nur schwarz und weiß ist. Und dass Sam weit mehr ist als ein empathieloser Trophäenjäger. Für seinen Traum vom Derbysieg arbeitet der Jockey hart. Härter vielleicht, als gut für ihn ist. Seine vierbeinigen Schützlinge verliert er dabei jedoch nicht aus dem Blick. Außer möglicherweise dann, wenn seine eigenen Qualen ihm den Blick verschleiern. Denn für seine Träume geht Sam weit über seine eigenen Grenzen hinaus…
Zwei Männer & ein Pferd
Als Samuel Shaw Shattered Crescent nur wenige Sekunden nach dem Start aus dem Rennen nimmt, weil er eine Unstimmigkeit in seinen Bewegungen wahrnimmt, riskiert er damit seine Karriere als Jockey. Als Thiago Haas-Pérez sich von seinem Zwillingsbruder dazu überreden lässt, sich im Namen einer Tierschutzorganisation undercover in einen Galopprennstall einzuschleusen, riskiert er eine Anzeige und damit seine berufliche Zukunft als Pädagoge. Aber er muss einfach herausfinden, was das ehemalige Rennpferd, das seit Kurzem im Stall seiner Mutter steht, zu dem körperlichen wie seelischen Wrack gemacht hat, das es ist: Shattered Crescent.
Shattered Crescent: Die Risse seiner Seele der deutschen Autorin Svea Lundberg, einem offenen Pseudonym von Julia Fränkle, ist mehr als eine simple Gay Romance. Angesiedelt im streitbaren Umfeld des deutschen Galopprennsports thematisiert der Roman den Leistungssport im Allgemeinen und Galopprennen im Besonderen von allen Seiten. Einander gegenüber stehen überzeugte Tierschützer und Jockeys aus Leidenschaft, zuschanden gerittene Tiere und verantwortungsvolle Pferdetrainer – und mitten drin: Thiago.
Aufgewachsen auf einem Gnadenhof für Tiere und geprägt vom nur teilweise legalen Engagement seines Zwillingsbruders im Tierschutzverein möchte sich Thiago ein eigenes Bild vom Rennsport machen. Als Pfleger schleust er sich für ein vermeintliches Praktikum in einen der renommiertesten Ställe Deutschlands ein, dem Hof Andreas Sicklers. Doch was ihn dort erwartet, scheint so gar nicht mit den Horrorgeschichten zusammenzupassen, die man überall über diesen Sport hört. Die Pferde wirken ausgeglichen und zufrieden, genießen geräumige Paddocks und regelmäßigen Koppelgang, ihrem Trainer liegt das Wohl seiner Tiere ernsthaft am Herzen und auch auf der Rennbahn zeigen diese sich aufgeregt-interessiert, aber keineswegs verstört, ebenso wenig unter Zwang oder gar unter Schmerzen stehend.
Shattered Crescent zeichnet ein sehr differenziertes Bild dieses umstrittenen Leistungssports. Der Roman verschweigt nicht die schlimmen Schicksale, die viele Galopper erwarten und deren sowieso schon extrem kurze Karrieren, wenn nicht gar ihr Leben, nicht selten gewaltvoll viel zu früh beenden, die tierquälerischen Trainingsmethoden mancher Trainer oder die Inkaufnahme schrecklicher Unfälle, völlig verblendet von den immensen Summen, die hinter jedem Tier und jedem Start eines Rennes stehen. Doch ebenso lenkt die Geschichte von Sam und Thiago den Blick der Lesenden auf die Perspektive verantwortungsvoller Pferdetrainer und Jockeys, denen es nicht nur um den Rausch der Geschwindigkeit und den eigenen Sieg, sondern in erster Linie um das Wohl der Tiere geht, die sie zu diesem Sieg tragen.
Sicherlich ist jeglicher Leistungssport, der sowohl wortwörtlich als auch im übertragenen Sinne auf dem Rücken von Tieren ausgetragen wird, allein schon aufgrund der in Kauf genommenen Verletzungsgefahr ganz grundlegend kritisch zu sehen. Schließlich können sich die Tiere im Gegensatz zu ihren menschlichen Kollegen nicht aktiv für oder gegen eine Sportlerkarriere entscheiden. Doch dies ist eine Grundsatzdiskussion, die in den allermeisten Fällen ins Nichts laufen wird, da diese Sportarten nunmal existieren und eine solch großartige Faszination auf ihre Anhänger ausüben. Und ebenso, wie es in jedem Sport schwarze Schafe gibt, so nehmen die meisten Sportler und Trainer die Sache nicht nur auf eine verantwortungsbewusste Weise ernst, sondern teilen auch eine große Liebe und Bewunderung für ihre tierischen Kollegen.
Eben diesen Konflikt und seine emotionalen Kontexte stellt Shattered Crescent in all seinen Facetten auf plastische Weise dar, indem der Roman ihn auf die Protagonisten projiziert. Thiago ist hin und her gerissen zwischen der radikalen Verurteilung seines ihm sehr nahe stehenden Zwillingsbruders und seiner Bewunderung und Liebe für den Jockey Sam. Jede Figur in diesem Roman versinnbildlicht eine Haltung gegenüber dem Galopprennsport, doch inmitten all der Argumente ist der Protagonist Thiago gezwungen, seine eigenen Vorurteile zu überdenken und Kompromisse einzugehen. Als er sich in den Jockey verliebt, spiegelt seine Gefühlswelt die Problematik auf einer emotionalen Ebene wider und lässt sie dadurch geradezu greifbar werden.
Neben Thiago stellt Samuel Shaw den zweiten Protagonisten in Shattered Crescent dar, zwischen welchen die intradiegetische Perspektive kontinuierlich wechselt. In der Figur Sams manifestiert sich nicht nur das Bild eines Jockeys, der Pferde über alles liebt und dem das Gefühl, auf einem solchen Tier über die Rennbahn zu preschen, ein Lebenselixier ist. In gewisser Weise stellt Sam auch das menschliche Pendant zum gebrochenen Ex-Rennpferd Shattered Crescent dar. So wird im Laufe der Erzählung schnell deutlich, dass der Jockey nicht nur selbst ein seelisches Wrack ist, sondern auch körperlich für den Sport weit über seine Grenzen geht. Doch Sams Probleme gehen über den reinen Gewichtswahn hinaus, dem sich ein jede*r Jockey berufsbedingt unterordnen muss. Die Gründe für seine Magersucht liegen tiefer, liegen in dem Hunger nach Macht – über sich selbst und damit auch über seine Existenz. Denn die gewaltsame Kontrolle über seinen eigenen Körper verleiht ihm das trügerische Gefühl, auch sein Leben als Ganzes im Griff zu haben…
Leistungssport, Essstörungen & das Tierwohl
Shattered Crescent besteht aus dem den Großteil des Romans einnehmenden Abschnitt «Shattered into pieces of fear» und dem abschließenden Teil «Healed with shivers of trust». In jenen ersten 27 Kapiteln konzentriert sich die Haupthandlung, in der Thiago unter falschen Vorwänden als Pfleger im Rennstall Sickler arbeitet und auf diese Weise dem Stalljockey Sam näher kommt. Im Kontext der Annäherung der beiden Protagonisten werden alle Charaktere des Romans sorgfältig aufgebaut, wobei sich die auf einem Täuschungsmanöver basierende Handlung schließlich in der unausweichlichen Offenbarung der Wahrheit und in der Konsequenz in einer emotionsgeladenen Konfrontation zwischen Sam und Thiago zuspitzt. Im zweiten Abschnitt, den letzten zehn Kapiteln, tritt die Rennbahnproblematik dann etwas in den Hintergrund, um Platz zu machen für die Liebesbeziehung zwischen den beiden Protagonisten und eine eingehendere Thematisierung von Sams Essstörung und psychischen Problemen. Im Gegensatz zu dem straffen und konfliktgeladenen ersten Teil erschien mir jener Zweite allerdings etwas abgeflacht, als hätte jemand die Luft aus dem Handlungsbogen heraus gelassen.
Im Allgemeinen lese ich persönlich wenig Romanzen, da mir in derartigen Texten zumeist die Handlung und die Spannung fehlen. Trotz der Schwächen im Spannungsaufbau stellt Shattered Crescent hier eine positive Ausnahme dar, da die Beziehung zwischen Sam und Thiago in einen komplex ausgearbeiteten und aus fachlicher Perspektive interessanten Rahmen eingebettet ist. Pferdesport und Essstörungen werden als grundlegend wichtige Thematiken inmitten der authentischen Handlung um die homoerotische Liebesbeziehung kontrovers und differenziert betrachtet, womit der Text im Großen und Ganzen definitiv überzeugt. Als langjährige Pferdeliebhaberin, die sich selbst bereits ausführlich mit dem Galopprennsport auseinander gesetzt hat, kann ich überdies die hervorragende Recherche, die hinter diesem Roman steckt, nur bewundern.
Während sowohl der Charakteraufbau als auch die ausführliche Thematisierung des Galopprennsports mit all seinen Facetten in Shattered Crescent einen starken Rahmen bieten, enttäuscht der Roman in seinem stereotypischen und diesbezüglich nahezu gänzlich vorhersehbaren Handlungsverlauf. Dass keiner der zentralen (Wende-)Punkte des Romans für mich als Lesende auch nur annähernd überraschend kam, ich mir bisweilen insgeheim sogar dachte, «bitte lass es innovativ sein und nicht den üblichen Bogen nehmen…» – vergebens, drückt das allgemeine Lesevergnügen ein wenig. Die einzelnen Szenen allerdings überzeugen sowohl durch einen authentischen und plastischen Schreibstil als auch durch die Dynamik der Charaktere. Die große Stärke des Romans liegt zweifelsfrei in den Dialogen, den zweisamen Momenten und den erotischen Szenen zwischen Sam und Thiago.
Trotz der angesprochenen Kritikpunkte freue ich mich, eine glasklare Leseempfehlung für Shattered Crescent: Die Risse seiner Seele von Svea Lundberg aussprechen zu können – ebenso für Pferdefreunde wie für Lesende, die eine wunderbar geschriebene Gay Romance zu schätzen wissen.
The bride ‧ The plus one ‧ The best man ‧ The wedding planner ‧ The bridesmaid ‧ The body
On an island off the coast of Ireland, guests gather to celebrate two people joining their lives together as one. The groom: handsome and charming, a rising television star. The bride: smart and ambitious, a magazine publisher. It’s a wedding for a magazine, or for a celebrity: the designer dress, the remote location, the luxe party favors, the boutique whiskey. The cell phone service may be spotty and the waves may be rough, but every detail has been expertly planned and will be expertly executed.
But perfection is for plans, and people are all too human. As the champagne is popped and the festivities begin, resentments and petty jealousies begin to mingle with the reminiscences and well wishes. The groomsmen begin the drinking game from their school days. The bridesmaid not-so-accidentally ruins her dress. The bride’s oldest (male) friend gives an uncomfortably caring toast.
And then someone turns up dead. Who didn’t wish the happy couple well? And perhaps more important, why?
Alle haben ein Geheimnis
Eine kleine, verlassene Insel im Atlantik. Eine extravagante Hochzeit. Ein undurchdringbares Unwetter. Ein Mord. The Guest List.
Jules betreibt ein eigenes und sehr erfolgreiches Lifestyle-Magazin, Will wurde als Star der vor allem bei Frauen beliebten Reality-TV-Serie Survive the Night berühmt. Die Braut weiß was sie will – und erreicht dies auch. Der Bräutigam ist es gewohnt, alles zu bekommen, was er will. Ihre gemeinsame Hochzeit feiern sie auf Inis an Amplóra, einer fiktiven, winzigen Insel vor der Küste Connemaras. Die Hochzeitsplanerin Aoife kaufte dort mit ihrem Mann, dem Koch Freddy, einen alten Gebäudekomplex, um ihn in eine denkwürdige Veranstaltungslocation zu verwandeln. Extravagant genug für die High Society, abgeschlagen genug, um sich den Paparazzos zu entziehen – der Prunkbau auf Inis an Amplóra ist die perfekte Kulisse für die Hochzeit der Trendsetterin Jules.
Die Handlung von Lucy FoleysThe Guest List erstreckt sich im Kern lediglich über zwei Tage, wobei die eigentliche, gegenwärtige Erzählung immer wieder von Rückblicken aus der Sicht der einzelnen Charaktere unterbrochen wird. Die Erzählperspektive wechselt als sogenannte autodiegetische Erzählinstanz, also einem klassischen Ich-Erzähler, in sehr kurzen Kapiteln zwischen der Veranstalterin Aoife, der Braut Jules, deren jüngeren Halbschwester und Brautjungfer Olivia, der Ehefrau ihres Trauzeugen, Hannah, dem Bräutigam Will und dessen Trauzeugen Johnno. Diese sechs Perspektiven sind zugleich jene der möglichen Täter*innen – und des Opfers. Denn, wie sich im Verlauf der sich langsam entwickelnden Handlung herausstellt, hat jede*r von ihnen ihr*sein Päckchen zu tragen. Vor allem existiert zwischen allen von ihnen negativ belastete Verbindungen untereinander dementsprechend jeweils ein starkes und nachvollziehbares Motiv für die blutige Tat.
Zwischen jene autodiegetischen Kapitel, welche die zwei Tage von der Ankauft der ersten Gäste aus dem engeren Kreis bis zur Hochzeitsnacht erzählen, schieben sich außerdem mit zunehmender Häufigkeit Kapitel, die aus einer heterodiegetischen Perspektive erzählt sind, also aus der Sicht einer dritten, allwissenden und selbst nicht als Figur auftretenden Person. Jene Kapitel umfassen das eigentliche Hier und Jetzt, womit die – zugegebenermaßen sehr langgezogenen, aber sich nur über weniger als eine Stunde erstreckenden – Momente von der eigentlichen Tat bis zum Fund der Leiche gemeint sind. Die Handlung wechselt somit zwischen in ihrer Häufigkeit zunehmenden, heterodiegetischen Kapiteln, die mit «Now» überschrieben sind, und jenen Autodiegetischen, welche die Namen der jeweiligen erzählenden Figuren sowie einen Zusatz wie «The day before» oder «A few hours earlier» als Titel tragen.
The Guest List ist grundsätzlich aus jeder Erzählinstanz in der Gegenwart verfasst und wechselt in den innerhalb der Kapitel eingeschobenen, intradiegetischen Rückblicken natürlicherweise in die Vergangenheit. Dass sich jene Ich-Perspektive in den einzelnen Kapiteln nicht voneinander unterscheidet, macht es den Lesenden insbesondere zu Beginn nicht gerade einfach, die jeweiligen Charaktere auseinanderzuhalten und sich innerhalb der Figurenkonstellation zurechtzufinden. Dies relativiert sich jedoch im Laufe der Lektüre. Durch den Präsens als gewählte Zeitform der ersten Erzählebene verliert die Handlung zudem jede Distanz, sodass die Lesenden hautnah am Geschehen beteiligt sind. Der plötzliche Wechsel in das Präteritum in den innenfiktionalen Rückblicken liest sich fließend und stellt somit keinerlei Bruch dar – im Gegenteil dazu wirkt er natürlich.
Mit den zwei Tagen des Aufenthalts auf Inis an Amplóra ist die erzählte Zeit in The Guest List extrem kurz. Dies ermöglicht dem 380 Seiten starken Roman eine sehr langsame Handlungsentwicklung, was im Gegenzug jedoch viel Platz für die Charakterentwicklung übrig lässt. Während der Roman von seinen Lesenden im Großen und Ganzen positiv bewertet wird, finden sich auf einschlägigen Portalen auch einige durchwachsene Kritiken. Einer der am häufigsten genannten Kritikpunkte sind die «flachen Charaktere» – eine Meinung, die ich absolut nicht teilen kann.
Die Autorin steckt sehr viel Mühe und Zeit in den Charakteraufbau, sodass für jede*n der sechs Hauptfiguren eine komplexe Hintergrundgeschichte ans Licht tritt. Jeder trägt ihreseine eigenen Ängste und Sorgen, ihreseine Fehler und ihreseine Reue mit sich. Auf diese Weise werden die Figuren nicht nur sehr nahbar, sondern auch höchst realistisch und geradezu aus dem Leben gegriffen. Die negativen Kommentare bezüglich der Charakterentwicklung sind offenbar der Tatsache geschuldet, dass jene Figuren in der Konsequenz ihres ausführlichen und realitätsnahen Aufbaus allesamt nicht sonderlich sympathisch sind, was eine Identifikation erschwert – wobei ich persönlich mich hervorragend mit Hannah («The Plus One») und Olivia («The Bridesmaid») identifizieren konnte. Denn wer wird schon gerne mit der Nase voraus in ihre*seine eigenen, viel zu realistischen Probleme und zweifelhaften Charakterzüge gestoßen?
Alle haben ein Motiv
Ich habe The Guest List innerhalb von zwei Tagen verschlungen – genauso lange, wie die erzählte Zeit dauert. So langsam sich die Handlung auch aufbaut, so intensiv ist sie von den ersten Seiten an. Als Lesende wird man tief in die schrecklichen Geschehnisse und Erlebnisse der einzelnen Charaktere hineingezogen und kann deren Schmerzen und somit auch deren jeweilige Motive hervorragend nachvollziehen.
Ein ebenfalls häufiger Kritikpunkt ist die Vorhersehbarkeit der gesamten Handlung, sowohl in Bezug auf das Opfer, dessen Identität erst auf den letzten Seiten offenbart wird, als die Leiche schließlich gefunden wird, sowie auf die*den Täter*in. Tatsächlich wird zwischen den Zeilen relativ schnell klar, wer die Hochzeit nicht überleben wird. Was die*den Mörder*in angeht, so hat sich meine eigene, relativ frühzeitig aufgestellte Vermutung zwar letztendlich als korrekt herausgestellt, jedoch können alle Charaktere letzenderes ein ebenbürtigen Motiv aufweisen, weshalb ich in meiner Einschätzung besonders gegen Ende noch einmal verunsichert wurde.
Das Ende selbst dagegen hat mich nach diesem extrem aufwändigen und komplexen Charakteraufbau etwas enttäuscht. Es fühlt sich an, als würde aus einem zum Zerreißen angespannten Luftballon die Luft plötzlich einfach herausgelassen. Kaum sind Opfer und Täter*in in den insgesamt sehr nüchtern gehaltenen letzten Kapiteln enthüllt, ist der Roman auch schon vorbei. Während mich also die teilweise vorhersehbare Handlung vor dem Hintergrund der komplexen Charaktere und der extrem intensiven Atmosphäre weniger störte, so hinterlässt das abrupte Ende einen etwas schalen Nachgeschmack.
Trotzdem habe ich die Lektüre von The Guest List sehr genossen und die Handlung als gleichermaßen fesselnd und aufwühlend empfunden. Angesiedelt auf einer malerischen irischen Insel entfaltet sich die Tragödie inmitten einer wunderbar lebhaften Atmosphäre. Insofern gibt es von mir eine klare Leseempfehlung!
Liya, die jüngste Abgesandte des Königs von Namoor, erkennt schon bald, dass sich mit dem Auftauchen eines alten Pergamentes die Welt, die sie kennt, von Grund auf ändern wird. Ewan, ihr bester Freund und Hauptmann des Königs, hat es einem Schmuggler abgekauft. Verfasst in der alten Sprache enthält es Wissen aus dem untergegangenen magischen Reich Elladur. Wie jedes Jahr ist Liya ins Nachbarland gereist, um die Handelsverträge für ihren König neu zu verhandeln. Als Jadmar, der Fürst von Eryon, die Hochzeit seiner Tochter mit dem Prinzen des verfeindeten Dar’Angaar ankündigt, bedeutet dies nicht nur massive politische Umwälzungen, sondern vielleicht auch Krieg. Daraufhin schickt König Louis Liya nach Dar’Angaar, um die Lage auszuspionieren. In heiklen Missionen dieser Art ist sie auch deshalb erfolgreich, weil sie über die Gabe der Magie verfügt. Dies hält sie allerdings geheim. Zu Liyas Entsetzen entpuppt sich der Prinz als ihr ehemaliger Geliebter Haydn. Auch erkennt sie, dass eine weit größere Gefahr als ein Krieg droht. Grausame Kreaturen treiben ihr Unwesen. Das teilweise entschlüsselte Pergament weist auf eine Sternenkonstellation hin, die bald eintreten wird. Die Rede ist von Pforten in eine Welt hinter einem Band, wo ein dunkler König auf seine Rache wartet. Plant tatsächlich jemand, eine solche Pforte zu öffnen? Auch muss Liya sich ernsthaft fragen, ob die Drachen mehr als nur eine Legende sind und welche Rolle ihr bei all dem zukommt.
Wenn deine Welt aus den Fugen gerät
Der Tag wird zur Nacht, und die Nacht ist sein. Er ist der Schatten, der auf deine Welt zeigt, und die ewige Dunkelheit, die bleibt. Nichts wird mehr sicher sein, denn die Seele in dir ist sein.
Elladur: Das Erwachen, geheimnisvolle Prophezeiung
Elladur: Das Erwachen ist der Auftakt einer brandneuen Fantasy-Trilogie und zugleich Erstlingswerk der österreichischen Autorin Angie Delazi. Ganz im Stil klassischer High Fantasy entwirft der Roman eine völlig neue, fantastische Welt, in der sich über gut 600 Seiten hinweg ein komplexer Handlungsstrang entfaltet. Erst taucht eine geheimnisvolle Schriftrolle aus der «Alten Zeit» auf, dann verkündet der Fürst von Eryon ein Heiratsbündnis mit dem neugekrönten König von Dar’Angaar und stellt sich somit gegen seine Schutzmacht Namoor, denn Dar’Angaar und Namoor sind seit dem Großen Krieg vor einhundert Jahren verfeindet. Alls sei dies nicht schon genug, scheint außerdem das Band zwischen den Welten stärker zu werden, der gestaltlose Herrscher, die Finsternis, droht die Welt in Chaos zu stürzen und Liya muss sich inmitten politischer Machtkämpfe, Intrigen und Geheimnisse entscheiden – zwischen ihrem König, ihrem Land und ihrem Vermächtnis.
Die junge Protagonistin Liya, mit ihren bescheidenen 18 Jahren bereits Meisterspionin, exzellente Kämpferin und erste Abgesandte des Königs von Namoor, hütet ein dunkles Geheimnis: Sie besitzt die Gabe und kann somit Magie wirken. Nur, dass dies in ihrem Heimatland unter strenger Strafe steht und niemand davon erfahren darf. Auf ihren Reisen durch Namoor, Eryon und Dar’Angaar wird Liya jedoch immer öfter dazu gezwungen, ihre Fähigkeiten einzusetzen. Ihre Kraft wächst, aber mit ihr auch die Gefahren. Merkwürdige Vorkommnisse überziehen die Länder, schreckliche Überfälle geschehen, Geheimnisse kommen ans Licht, Gerüchte verbreiten sich und die Herrscher versuchen im Angesicht des drohenden Krieges verzweifelt, ihre Völker zusammenzuhalten und interne Konflikte zu ersticken. Liya begibt sich auf die Suche nach der Wahrheit um das sagenumwobene Land Elladur, doch letztendlich entpuppt sich nichts als das, was es zu sein scheint.
Ein Fantasy-Epos mit Stärken und Schwächen
Mit ihrem bildgewaltigen Schreibstil gelingt es der Autorin, ihren Figuren in Elladur: Das Erwachen sehr nahbare und authentische Charakterzüge zu verleihen. Mit der Ausnahme des – auch nach Abschluss der Lektüre dieses ersten Bandes geheimnisvoll bleibenden – Prologs lernen wir die Wellt um das längst vergangene Königreich Elladur aus der Perspektive Liyas kennen. Wir erleben ihre Ängste und Sorgen, ihre Leidenschaften, ihr Pflichtbewusstsein und ihre innere Zerrissenheit.
Aufgrund ihrer vielen Fähigkeiten und dem hohen Grad an Verantwortung, der ihr als erste Abgesandte vom König übertragen wird, wirkt Liya älter, als sie tatsächlich ist. Im Gegensatz dazu scheinen die meisten der anderen Figuren ihren gesellschaftlichen Stand zwar zu respektieren, sie insgeheim aber gewissermaßen als klassisch naive junge Frau zu empfinden. Die Protagonistin wird permanent zwischen diesen beiden Entwürfen ihrer selbst hin und her geworfen und ist sich der Ambivalenz auch selbst bewusst. Es macht sie aber nicht weniger authentisch, im Gegenteil: Indem wir als Lesende mit Liyas Blick die bizarre Dualität jener Momente der Pflicht neben jenen der Bevormundung erleben, erfahren wir auch, man möchte sagen am eigenen Leibe, ihre persönliche Zerrissenheit zwischen Selbstbewusstsein und Hilflosigkeit.
Der anschauliche Erzählstil bringt uns die Charaktere und die Welt mit ihren eng verschränkten politischen Strukturen auf plastische Weise näher. Der Handlungsverlauf von Elladur: Das Erwachen ist nicht nur dem Genre der High Fantasy entsprechend komplex, sondern folgt auch einem lehrbuchhaften Spannungsbogen, der den beachtlichen Umfang des Romans durchweg mit packenden Geschehnissen füllt.
Allerdings passiert zwischen jenen, zumeist recht spannungsgeladenen Passagen leider nur sehr wenig. Nicht selten vergehen viele Tage bis Wochen zwischen den einzelnen Kapiteln, in denen es offenbar absolut nichts Erzählenswertes zu berichten gibt. Auch die langen Reisen, auf denen sich die Protagonistin in dieser gewaltigen Fantasywelt immer wieder befindet, werden gänzlich ausgespart. Passieren wirklich nur in den Städten beziehungsweise an den wenigen benannten Orten und zu bestimmten Tageszeiten relevante Dinge? So wirken die einzelnen Szenen und Kapitel jedenfalls wie zerrissen und relativ stumpf aneinandergereiht. Sicherlich muss man sich bei einer Erzählung, die sich innerfiktional über mehrere Monate zieht, nicht jedem einzelnen Tag widmen. Jedoch bieten diese langen, ereignisleeren Zeiträume Gelegenheiten, um die vielen Figuren und die Gesellschaftsstrukturen näher darzustellen, was gerade am Beginn eines solch komplexen Fantasyepos wichtig wäre. Denn wie soll ich als Lesende die Handlungen und Entscheidungen eines Charakters in einer Ausnahmesituation beurteilen, wenn es keinen «Normalzustand» gibt, von dem sie sich abheben? Wie die Tragweite politischer Entscheidungen begreifen, wenn lediglich in einem unbedeutenden Nebensatz erwähnt wird, was «eigentlich» zu tun wäre?
Zu jenen Lücken im Handlungsverlauf von Elladur gesellen sich außerdem einige, potentiell sehr spannende Szenen, deren Potential schlichtweg nicht ausgeschöpft wird. Etwa wird mit einem Satz, wie «Im nächsten Moment sprang eine Kreatur aus der Dunkelheit und zerfleischte eines der Pferde vor dem Karren» (Kap. 25) so ziemlich jeder Versuch eines Spannungsaufbaus im Keim erstickt. Überhaupt sind Kampfszenen im Allgemeinen leider die große Schwäche des Romans. Im Gegensatz zu den gleichermaßen sprachlich geschickten wie handlungstechnisch starken Passagen, bei denen einzelne Figuren, zwischenmenschliche Interaktionen und gesellschaftliche Geschehnisse im Mittelpunkt stehen, wirken die – glücklicherweise nicht allzu häufigen – Kämpfe klobig, ungelenk sowie chaotisch und missen überdies jeglichen Nervenkitzel. Da hilft es auch nichts, dass sich der Puls der Protagonistin in nahezu jedem Kapitel mindestens ein Mal beschleunigt und zu rasen beginnt…
Gelungener Auftakt mit Potential
Trotz aller Kritik ist Elladur: Das Erwachen ein fesselnder Auftakt eines faszinierenden und innovativen Fantasy-Epos. Minuspunkte gibt es für den leider nur bedingt flüssigen Handlungsfortschritt sowie die verwirrenden und wenig realistischen Kampfszenen. Als Lesende, die sowohl mit Techniken des Schwertkampfes als auch mit dem Umgang mit Pferden vertraut ist, stellte es mir bei manchen diesbezüglichen Passagen die Nackenhaare auf. Hier wäre eine eingehendere Recherche seitens der Autorin angebracht, um den entsprechenden Szenen mehr Lebensnähe und Authentizität zu verleihen.
Nichtsdestotrotz sind die angesprochenen Kritikpunkte überwiegend im Detailbereich angesiedelt. Über weite Strecken, insbesondere die weniger kampflastige erste Hälfte sowie das Finale, konnte mich der Roman begeistern und ich mochte ihn kaum aus der Hand legen. Dies ist für einen selbstpublizierten Debütroman durchaus eine beachtliche Leistung. Die zahlreichen Figuren sind charakterstark und die fantastische, überaus komplexe Welt – ich sage es gerne ein weiters Mal – ist wunderbar anschaulich und farbenfroh gestaltet.
In diesem Sinne möchte ich trotz der erläuterten Kritik eine Leseempfehlung aussprechen. Elladur: Das Erwachen schafft es, einen unmittelbar hineinzuziehen in die Intrigen und Machenschaften zwischen Namoor, Eryon und Dar’Angaar. Der Trilogieauftakt macht große Lust darauf, zu erfahren, wie es mit Liya und ihren Freunden (und Feinden) weitergeht. Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr auf den nächsten Teil und bin davon überzeugt, dass sich Angie Delazis Texte mit jeder Veröffentlichung noch verbessern werden.
Denn in Elladur schlummert großes Potential! Überzeugt euch selbst:
Beim Top Ten Thursday von Aleshanee (Weltenwanderer) geht es darum, jeden Donnerstag eine Liste aus zehn Titeln zu einem bestimmten, vorgegebenen Thema zusammenzustellen. Das heutige Thema ist ein Halloween Special und besteht aus zehn einzelnen Aufgaben.
Auch heute war es nicht immer einfach, aber nun bin ich bereit. Ich präsentiere Euch zehn Werke aus meinem Bücherregal zum Thema
Halloween
(im weitesten Sinne)!
Top Ten
1. Ein Buch mit einem gruseligen Cover
Tatsächlich musste ich feststellen, dass erstaunlich wenige meiner Bücher ein wirklich gruseliges Cover haben. Letztendlich fiel meine Wahl auf den Klassiker Illuminati (Angels & Demons) von Dan Brown. Der hervorragend recherchierte Thriller ist das erste Abenteuer des brillanten, aber auch sehr nahbaren Kunstgeschichteprofessors und Symbolologen Robert Langdon. Von der ersten Seite an packt einen die intensive Spannung um die rätselhaften Morde, inmitten derer sich der Protagonist zwischen historischen Symbolen und modernster Physik wiederfindet.
2. Ein Buch, in dem ein Mord geschieht
An Büchern, in denen fleißig gemordet wird, besteht in meinem Regal kein Mangel. Erst Anfang dieses Jahres veröffentlichte der deutsche Fantasyautor Markus Heitz mit Die Meisterin: Der Beginn den ersten Teil seiner neuen, spannungsgeladenen Reihe, die von der uralten Familienfehde zweier Henker-Dynastien handelt. Die brutale Hinrichtung ihres Bruders im Hinterhof eines Londoner Pubs und Unruhen unter den Wesen der Nacht kündigen eine Bedrohung an, die schließlich sogar die neutrale Heilerin Geneve dazu zwingen, sich auf eine Seite zu schlagen und den Spuren der Mörder zu folgen.
3. Ein Buch mit einer unheimlichen Atmosphäre
Es ist sehr, sehr lange her, dass ich den Jugendroman Whisper von Isabel Abedi gelesen habe. Am eindrücklichsten in Erinnerung geblieben ist mir die mysteriöse und unheimliche Atmosphäre, welche die Erzählung sehr intensiv aufbaut. Die Protagonistin muss ihre Ferien mit ihrer Mutter und einem Freund in einem uralten Haus verbringen. Doch was ursprünglich als Strafe gedacht war, entwickelt sich zu einer geheimnisvollen Suche nach den Geschehnissen um einen nie geklärten Mord und dessen ruhelosem Opfer.
4. Ein Buch, das an Halloween spielt oder Halloween vorkommt
Der vielgefeierte Horrorklassiker Friedhof der Kuscheltiere (Pet Sematary) von Stephen King ist der einzige Titel dieser Liste, den ich selbst nie gelesen habe – obwohl ich ihn schon vor Jahren geschenkt bekommen habe. Immerhin ist mir bekannt, dass ein Teil der Geschehnisse dieses schwerverdaulichen Gruselromans an Halloween spielt.
5. Ein Buch, das du vor Spannung nicht aus der Hand legen konntest
Ebenfalls sehr erfolgreich verfilmt wurde Suzanne Collins’ The Hunger Games (Die Tribute von Panem). Im Auftakt der dystopischen Trilogie muss sich die Protagonistin Katniss gemeinsam mit 23 anderen Jugendlichen durch die barbarischen Hungerspiele schlagen, bei denen es um Leben und Tod geht. Nur eine oder einer kann als Sieger*in hervorgehen – und das allein zum Amüsement der gesellschaftlichen Oberschicht des diktatorischen Zukunftsstaates. Die spannungsgeladene Geschichte ist so grandios erzählt und zugleich so flüssig zu lesen, dass man sie so schnell sicherlich nicht mehr aus der Hand legen kann.
6. Ein Buch aus dem Horror Genre
Beim Horror-Genre habe ich mich für einen absoluten Klassiker entschieden: Mary Wollstonecraft Shelleys Frankenstein; or, The Modern Prometheus (Frankenstein oder Der moderne Prometheus). Geschrieben im Jahr 1818 ist dieser Schauerroman um einen ambitionierten Wissenschaftler und seine erschaffene Kreatur aktuell wie eh und je. Denn die aufgeworfenen Fragen, wie weit Wissenschaft gehen darf und ob sich der Mensch aus ethischen Gründen überhaupt anmaßen darf, Leben zu erschaffen, werden heute genauso gestellt wie im forschungsbegeisterten Zeitalter des 19. Jahrhunderts. Nicht umsonst wird Frankenstein häufig als der erste moderne Science-Fiction-Roman bezeichnet.
7. Ein Buch, das du grauenvoll fandest
Ich habe mich entschieden, das «grauenvoll» im Sinne von negativ-erschreckend zu interpretieren. Denn bei diesem Wort kommt mir sofort der zweite Roman der Twilight-Serie in den Sinn, New Moon (Biss zur Mittagsstunde) von Stephenie Meyer. Damals, als ich 14 und die Reihe neu war, habe ich sie selbstverständlich genauso verschlungen, wie alle anderen Mädchen in meinem Alter. Aus einer heutigen Perspektive ist mir allerdings bewusst, dass das in dieser Buchreihe und insbesondere in diesem zweiten Band repräsentierte Konzept von Liebe und Beziehung auf einem solch hohen Level toxisch und gefährlich ist, dass ich es einfach nur noch grauenvoll finden kann.
8. Ein Buch mit Vampiren oder sonstigen Geschöpfen der Nacht
Im Kontrast zu Meyers romantisierten und dem Horrorgenre entrissenen Vampirkonzept möchte ich an dieser Stelle einen Vampirroman vorstellen, der mich beim Lesen gleichermaßen fesseln, schockieren und faszinieren konnte. In Die Kinder des Judas von Markus Heitz lernen wir viele unterschiedliche Geschöpfe der Nacht kennen, doch die gefährlichsten sind jene, die auf den ersten Blick am menschlichsten wirken. Die Erzählung ist mit einigen ins Gore gehenden Schilderungen sicherlich nichts für schwache Nerven – aber auf eine gute Art und Weise.
9. Ein Buch, das dir Gänsehaut beschert hat (auf welche Art auch immer)
Margaret Atwoods schockierende Dystopie The Handmaid’s Tale (Der Report der Magd) hat mir mehr als nur Gänsehaut beschert. Mit ihrem eindrücklichen Erzählstil schafft es die kanadische Meisterin des Wortes immer wieder, ihre Lesenden unmittelbar in die Geschichte hineinzuziehen. Öfter als mir lieb war musste ich den Roman beiseite legen und ein paar Mal tief durchatmen, bevor ich überhaupt in der Lage war, weiterzulesen. Die Handlung – gleichermaßen schrecklich wie fesselnd – zeigt anschaulich auf, wie sich unsere Gesellschaft in nur wenigen Schritten in einen religiös-autokratischen Albtraum verwandeln kann.
10. Ein Buch mit einem richtig fiesen, bösen Charakter
Ich möchte diese Liste mit einem humorvollen Titel abschließen. Lange stand ich vor meinem Regal und musste schließlich feststellen, dass kaum ein Roman einen wirklich fiesen, absolut bösen Charakter vorweisen kann. Doch dann fiel mein Blick auf Marc-Uwe Klings Känguru-Offenbarung, den dritten Teil der erfolgreichen Känguru-Chroniken. Auf satirische Art und Weise stellt der Pinguin als Gegenspieler des Kängurus dort nämlich den absoluten Antagonisten, ja, das personifizierte Böse dar – zumindest aus der Perspektive des kommunistischen Kängurus. Klings Gesellschafts- und Politsatire sorgt vor lauter Lachkrämpfen gerne mal für Bauchschmerzen. Hervorragende Unterhaltung ist garantiert!
Mary Parent, Alex Garcia, Ali Mendes, Millie Bobby Brown, Paige Brown
Erstveröffentlichung:
23. September 2020
Länge:
123 Minuten
Enola Holmes | Offizieller Trailer
Enola auf sich allein gestellt – oder nicht?
Eine kecke, junge Frau in einem einfachen, blauen Kleid dirigiert ihr Fahrrad sichtlich mühsam über einen holprigen Feldweg und redet dabei ungeniert direkt mit den Zuschauenden. Sie stellt sich als Enola vor, fasst kurz die Geschehnisse der vergangenen Jahre und Wochen zusammen, lässt sich von einem kleinen Sturz auf einem blättergepolsterten Waldweg nicht beirren und erläutert schließlich, wie es dazu kam, dass sie sich nun in ebendiesem Moment auf dem Weg zum Bahnhof befindet, um ihre beiden älteren Brüder Mycroft und Sherlock abzuholen – ja genau, den Sherlock Holmes. Bereits diese ersten Szenen zeugen von einer spielerischen Leichtigkeit, die den gesamten Film Enola Holmes auszeichnet.
Diese Frische verdanken wir nicht zuletzt der Hauptdarstellerin Millie Bobby Brown, die der Rolle der Enola Holmes einen wunderbar authentischen und liebenswerten Charakter verleiht. Ihr gegenüber stehen ihre beiden älteren Brüder, der konservative Mycroft (Sam Claflin, unter anderem bekannt als Finnick Odair in The Hunger Games) und der berühmte, egozentrische Detektiv Sherlock (Henry Cavill, Superman in den DC Extended Universe-Filmen und ein großartiger Geralt of Rivia in Netflix’ The Witcher).
Nachdem Eudora, die Mutter der Holmes-Geschwister, verkörpert durch Helena Bonham Carter, an Enolas 16. Geburtstag scheinbar spurlos verschwindet, kontaktiert die junge Frau ihre beiden Brüder in London und bittet sie um Hilfe. Doch alles, was sie damit erreicht, ist, dass ihr neuer Vormund Mycroft sie auf ein Mädchenpensionat schicken will, um ihre gesellschaftsfähige Erziehung sicherzustellen, während der von ihr stets bewunderte Sherlock mehr an dem Mysterium um die verschwundene Eudora an sich interessiert ist, als an seiner kleinen Schwester.
Enolas Ausweg? Sie reißt kurzerhand aus. Und zwar nach London, wo sie sich, plötzlich ganz auf sich allein gestellt, zugegebenermaßen hervorragend zurechtfindet. Ihre Mutter unterrichtete sie schließlich jahrelang nicht nur in verschiedenen Sportarten und Kampfkünsten, sondern auch darin, ihre Umgebung genauestens zu beobachten, daraus zu schlussfolgern und schließlich – das wichtigste! – zu lernen. Auf ihrem Abenteuer trifft sie auf den ebenfalls von Zuhause ausgebrochenen Lord Viscount Tewksbury, einen jungen Adeligen, dem ein Auftragsmörder auf den Fersen ist. So macht sich Enola Holmes in London nicht nur auf die Suche nach ihrer Mutter, die ebenfalls ihr ganz eigenes, berechnendes Spiel zu spielen scheint, sondern löst ganz nebenbei auch das Rätsel um das Tweksbury’sche Familiendrama.
Zwischen Familiendrama & Feminismus
Sieht man sich die Bewertungen von Enola Holmes auf Metacritic.com an, so wird schnell klar, dass der Film von kritischen Medien überwiegend positiv aufgenommen wurde, während die Nutzerbewertungen eher durchwachsen sind. Ein Blick auf jene Kommentare lässt allerdings unschwer ein trauriges Muster erkennen: Je mehr sich die bewertende Person ganz individuell an dem im Film repräsentierten Feminismus stört, desto schlechter die Wertung.
Tatsächlich dreht sich der gesamte Film um die Kritik am herrschenden Patriarchat sowie um die weibliche Selbstermächtigung. Den Tod ihres Ehemannes und schließlich den Auszug ihrer erwachsenen Söhne nahm Eudora Holmes etwa zum Anlass, jedwedes patriarchales Gedankengut aus ihrem Hause zu verbannen und ihre Tochter in einem freiheitlichen Umfeld aufwachsen zu lassen, das nur dazu einlädt, erkundet zu werden. Während sich herausstellt, dass Eudora offenbar gar Teil einer sowohl radikalen, als auch regierungsfeindlichen Frauenbewegung ist, muss sich die von ihrer Mutter stets unkonventionell und liberal erzogene Enola nicht nur den konservativen Erwartungen ihres Bruders entgegenstellen, der alle gesellschaftlich-patriarchalen Zwänge verkörpert, sondern jene auch am eigenen Leib erfahren. Nicht selten greift sie bei ihren Plänen außerdem auf eine Verkleidung als Mann zurück, um ihren Zielen einen Schritt näher zu kommen.
Mycroft und vor allem der für seine gewaltigen Fähigkeiten der Deduktion berühmte Sherlock Holmes, aber auch alle anderen männlichen Figuren verblassen neben der jungen Frau zu einer erfrischenden Unfähigkeit, wobei insbesondere der gefeierte Privatdetektiv stets einen Schritt hinter seiner gewieften Schwerster her hinkt. Einzig der Adelssohn Viscount Tewksbury – ausgerechnet! – scheint die wahren Kraftverhältnisse zwischen den Geschlechtern begriffen zu haben und sich in seiner männlichen Rolle neben der emanzipierten Frau vollkommen wohl zu fühlen. Sein von einem Augenzwinkern begleiteter Catchphrase macht ihn nicht nur zu einem sympathischen Charakter, sondern zeugt ebenfalls von seiner Anerkennung des Weiblichen als mindestens ebenbürtig:
I’m not entirely an idiot.
«Ich bin nämlich nicht nur ein Idiot.»
Eine kurzweilige Holmes-Adaption
Leider kenne ich persönlich die Buchreihe von Nancy Springer nicht, auf der die Romanverfilmung Enola Holmes basiert, bin aber ein großer Fan der Erzählungen Arthur Conan Doyles sowie vieler Adaptionen des Franchises. Ohne auf das Hintergrundwissen der Romanvorlage zurückgreifen zu können, gefällt mir der Film jedoch außerordentlich gut. Genau genommen waren meine Erwartungen deutlich niedriger angesiedelt und wurden – nicht zuletzt dank der hochkarätigen Besetzung – deutlich übertroffen.
Die Handlung von Enola Holmes mag bisweilen etwas konfus wirken, da der Plot nach etwa den ersten 30 Minuten permanent zwischen dem Mysterium um die verschollene Mutter und dem Rätsel um Lord Viscount Tewksburys mörderischen Verfolger umher pendelt. Dennoch handelt es sich zwar um zwei ineinander verflochtene, aber jeweils in sich geschlossene Handlungsbögen, die der Erzählung einen soliden Rahmen bieten. Eine gewisse Spannung wird im Sinne einer Mystery-Geschichte zwar aufgebaut, aber die jeweiligen Auflösungen sind doch relativ vorhersehbar. Dies tut dem kurzweiligen Filmspaß allerdings keinen Abbruch, da die sympathischen Charaktere und die, wenngleich streckenweise etwas platte, aber nichtsdestotrotz vorhandene und überdies humorvoll aufgezogene Thematisierung feministischer Bewegungen sowie der weiblichen Emanzipation jeweils ihren Teil zur Unterhaltung beitragen.
Im Großen und Ganzen handelt es sich bei Enola Holmes um leicht-lockerflockige Filmkost, von der man nicht allzu viel Tiefgründigkeit erwarten darf. Zwei Stunden lang vermag es die Protagonistin, die Zuschauenden spielend leicht für sich und ihre Ziele zu gewinnen, was unter anderem dem unkonventionellen Erzählstil zu verdanken ist. Enola spricht nämlich über den gesamten Film hinweg immer wieder unmittelbar mit den Zuschauenden, durchbricht also die aus dem Theater bekannte «vierte Wand». Indem sie auf diese Weise nicht nur ihre aktuellen Pläne und Gedanken erläutert, sondern auch direkte Fragen stellt oder hinter dem Rücken anderer Charaktere einen augenrollenden Blick unmittelbar in die Kamera wirft, bindet sie die Rezipierenden aktiv in die Handlung ein und macht sie so gewissermaßen zu ihren Verbündeten.
Ich kann Enola Holmes auf jeden Fall wärmstens empfehlen. Kurzweilige Unterhaltung, sympathische Charaktere und ein kniffliges Rätsel – braucht ein gelungener Filmabend denn noch mehr?
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