Ihr Lesenden, Blogsurfenden, Interessierten, Bummelnden,
Ihr Algorithmen und Webcrawler,
Herzlich willkommen auf Pawstorms!
Nun habt ihr also diesen bescheidenen, kleinen Blog gefunden. Vielleicht habt Ihr auf einen Link geklickt, vielleicht ist er in Euren Suchergebnissen aufgetaucht, vielleicht seid Ihr auch nur aus Versehen hier gelandet, habt Euch vielleicht sogar verklickt. Fakt ist: Nun seid Ihr hier. Doch was ist dieses «Hier» eigentlich? Wo seid Ihr da gelandet? Pawstorms steht darüber, das ist kaum zu übersehen, und eine Pfote ziert das Favicon Eures Browsers. Aber was soll das alles überhaupt bedeuten? Und was wird Euch hier in Zukunft erwarten?
Fangen wir von vorne an.
Paw… – was?
Pawstorms, oder auch Paw und Storms, das sind wir, die beiden Gründer*innen des Blogs. Wir lieben Katzen, besonders unsere beiden Teufelskater Mephisto und Luzifer. Was noch? Natürlich Geschichten. Geschichten aller Art, und zwar in den unterschiedlichsten Erzählformaten, dort sind wird zuhause. Ob Bücher, Hörbücher, Filme, Serien, Spiele, irgendwas dazwischen oder alles auf einmal, das ist unser Terrain. Geschichten erfinden, erzählen und erleben – um diese Stichworte dreht sich Pawstorms. Seid gespannt!
If there’s a book that you want to read, but it hasn’t been written yet, then you must write it.
Toni Morrison
Ich habe es bereits erwähnt, oder? Wir lieben Geschichten. Und ganz nach Toni Morrisons Motto schreiben wir sie auch gerne selbst. An dieser Stelle geht unser Dank an die wunderbare Community von Belletristica, die es schon tausend Mal geschafft hat, uns zu inspirieren. Ganz in diesem Sinne findet Ihr unter der Kategorie Geschichten unsere eigenen Erzählungen, Gedichte, Fiktionen. Unsere Lieblingsgenres sind Fantasy und Science-Fiction, Krimis und Thriller, aber in unseren Texten probieren wir gerne die unterschiedlichsten Themen und Schreibstile aus.
Als wäre das Fiktionale nicht schon genug, widmen wir uns in der Kategorie Gedanken auch noch der Realität. Dieser Themenbereich ähnelt am meisten dem klassischen Format eines Weblogs und versammelt alles, was uns gerade so beschäftigt. Die Artikel können sich auf die Kreativ- beziehungsweise die Buchbranche beziehen, müssen es aber nicht unbedingt. Auch gesellschaftskritische Gedanken und Kommentare zu aktuellen Geschehnissen und Erlebnissen könnt Ihr hier mitverfolgen. Und selbstverständlich seid ihr auch herzlich dazu eingeladen, eure eigene Meinung in den Kommentaren zu hinterlassen!
Puh, da haben wir uns ja schon ganz schön viel vorgenommen. Aber halt! Das Wichtigste, das Essentielle eines richtigen Buchblogs fehlt doch noch: die Rezensionen! Diese Kategorie spricht eigentlich für sich. Hier findet Ihr unsere Meinungen und Bewertungen zu Büchern, Filmen, Serien, Spielen… einfach allem, was uns so unterkommt. Denn wir lieben es, stundenlang über Geschichten zu debattieren, die wir gelesen, gehört, gesehen oder gespielt haben. Noch mehr Spaß macht es, unsere Ideen mit Euch zu teilen. Aus diesem Grund seid Ihr auch hier – wie eigentlich überall – herzlich zum Mitdiskutieren eingeladen.
Pawstorms
Jetzt wisst Ihr eigentlich schon alles Wesentliche über uns. Zwei Nerds, die es sich in den Kopf gesetzt haben, ihre Texte und Gedanken unter einem eigenen Namen mit der Welt zu teilen. Das Blogprojekt Pawstorms ist aus dieser Idee heraus entstanden. Es handelt sich um ein Experiment, das in erster Linie eine Herzensangelegenheit ist. Deswegen werden Werte und Ideale bei uns großgeschrieben. Das bedeutet konkret, dass hier wirklich nur jenes veröffentlicht wird, hinter dem wir auch zu 100 Prozent stehen. Dabei ist es uns oberste Priorität, alle Menschen gleichermaßen anzusprechen und einzuschließen, verstehen uns als Teil und Ally der queeren Community und legen außerdem großen Wert auf Accessibility und Inklusion. Wir fordern Euch, liebe Lesende, explizit dazu auf, uns auf Fehler und Ungenauigkeiten hinzuweisen, die in irgendeiner Weise diskriminierend wirken, dies ist niemals unsere Absicht. Auch geben wir uns Mühe, unsere Texte mit Contentwarnungen [CW] zu versehen – auch hier lassen wir uns gerne belehren.
In diesem Sinne wünschen wir Euch viel Spaß und gute Unterhaltung auf Pawstorms und verabschieden uns mit den herzlichsten Grüßen – passt auf Euch auf!
Die Frage nach der Bedeutung der Begriffe «Ethik» und «ethisch» stellen sich nicht nur unzählige Schüler:innen und Student:innen, wenn sie dieses schwer zu greifende Thema im Unterricht besprechen. Auch in der Philosophiegeschichte wurde sie immer wieder aufgeworfen und aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln heraus beantwortet.
Insgesamt ist die Ethik ein unfassbar spannendes und komplexes Thema, das ich hier nur ganz rudimentär anreißen kann. Eines macht sie für mich allerdings ganz besonders interessant: Ethik und Literatur lassen sich niemals voneinander trennen!
Was ich damit meine? Lies weiter!
Aristoteles, das Urgestein
Der griechische Philosoph Aristoteles (384–322 v. Chr.) ist einer der wichtigsten Ethiker überhaupt. Seine Lehren werden bis heute immer wieder zu den unterschiedlichsten Themen herangezogen. Für uns sind an dieser Stelle vor allem die Definitionen und Herleitungen der einzelnen Begriffe interessant.
Allen Ansätzen zugrunde liegt die Unterscheidung zwischen Moral und Ethik. Das Wort Moral stammt vom lateinischen Begriff «mos/mores», zu Deutsch «Sitte» bzw. «Brauch». Ausgehend von diesem Ursprung meint die Moral das allgemeine, normative Sittensystem, also Vorschriften, wie man sich in einer Gesellschaft zu verhalten hat. Die Ethik denkt dagegen aus einer dynamischen und diskursiven Perspektive heraus über die Moral nach. Deshalb wird sie häufig auch als «Moralphilosophie» bezeichnet.
In seiner Nikomachischen Ethik unterscheidet Aristoteles zwischen der theoretischen und der praktischen Vernunft. Die theoretische Vernunft befasst sich mit der Beschreibung davon, wie Dinge funktionieren, z.B. eine Beobachtung der Naturgesetze. Die praktische Vernunft kann dagegen nur durch einen Gewöhnungsprozess erlernt werden und bezieht sich damit auf die innere Einstellung jedes einzelnen.
In diesem Kontext unterscheidet Aristoteles außerdem zwischen der «poiesis» und der «praxis». Die «poiesis» ist zweckrational, arbeitet also auf ein Ergebnis hin, und umfasst z.B. das Herstellungswissen (griech. «technê»), d.h. im Prinzip Anleitungen. Die «praxis» ist dagegen selbstzwecklich nach dem Motto «Der Weg ist das Ziel» und bezieht sich auf die Charaktertugenden. Und damit sind wir beim Thema: Denn Aristoteles bezeichnet genau diese Charaktertugenden als «êthikê», was wiederum vom griechischen Wort «éthos» abstammt, das «Gewöhnung» bedeutet.
Um all diese Zusammenhänge zu verstehen, müssen wir jedoch noch ein bisschen weiter ausholen. Das ultimative Ziel jedes einzelnen ist laut Aristoteles die «eudaimonía», die man etwa mit «Seelenglück» übersetzen kann, also eine Art innerer Zufriedenheit mit sich selbst. Und dieses persönliche Ziel soll mithilfe der Charaktertugenden («êthikê») erreicht werden. Zu diesem zweck soll eine Person sowohl bei spontanen Affekten und Reaktionen als auch in bewussten Aktionen aus freien Stücken heraus auf eine bestimmte Art handeln: zum Mittleren («mesotês») hin. Das bedeutet, man soll nicht in Extreme wie Wut oder Angst hineinrutschen, sondern stets die Ruhe bewahren und – abhängig von der jeweiligen Situation – moderate Handlungen und Wege wählen.
Damit man allerdings immer wieder die in diesem sittlich-moralischen Sinne „richtige“ Entscheidung treffen kann, muss man den eigenen Willen in einem langwierigen Prozess schulen, ihn sozusagen an diese besondere, moderate Art der Lebensführung gewöhnen. «Êthikê» meint also laut Aristoteles die innere Einstellung und Fähigkeit einer Person, nicht bloß Sittenvorschriften zu folgen, sondern sich aus eigenem Willen heraus in jeder Situation für die moralisch richtige Lösung zu entscheiden.
Kant bringt die Sache auf den Punkt
Die ethische Frage nach dem «guten», «richtigen» Handeln hat sich auch der deutsche PhilosophImmanuel Kant (1724–1804) gestellt. Auch er sieht das Ziel der Ethik in einem guten und erfüllten Leben.
Im Gegensatz zu der subjektiven und auf den individuellen Einzelfall ausgerichteten Herangehensweise von Aristoteles hat sich Kant allerdings vorgenommen, einen objektiven und allgemeingültigen Moralkodex zu entwerfen: der kategorische Imperativ.
Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.
Immanuel Kant, Universalisierungsformel des kategorischen Imperativs
Damit befindet sich der Fokus in der kantischen Ethik nicht, wie bei Aristoteles, auf der individuellen Tugendhaftigkeit. Stattdessen stehen die vernunftgeleitete Gleichheit aller Menschen und die Menschenwürde im Vordergrund. Dabei legt allerdings auch Kant großen Wert auf die Intention der Handelnden und fordert eine intrinsische Motivation, also den Willen, etwas zu tun. Im Gegensatz zu extrinsischen Beweggründen, z.B. Druck von außen, müssen die inneren Beweggründe in einem langwierigen Prozess erlernt werden – der Geist muss sich also an diese bestimmte Denkweise gewöhnen. Ähnlich versteht Aristoteles den «éthos» in der Antike als die Gewohnheit, sich auf eine bestimmte, «richtige» Art zu verhalten.
Damit ist Kants Kernthese in Bezug auf die Frage «Was ist Ethik?» auch schon zusammengefasst. Zwar absolut minimalistisch, aber immerhin. Die ganze, komplexe Moralphilosophie lässt sich freilich nicht in wenigen Sätzen beschreiben, und das möchte ich auch gar nicht erst versuchen. Mir geht es an dieser Stelle allein darum, dass sowohl Aristoteles als auch Kant eine perfekte Grundlage bieten, um zu begreifen, was sich hinter dem diffusen und riesigen Begriff der Ethik versteckt.
Was hat die Ethik nun mit der Literatur zu tun?
An den Beispielen von Aristoteles und Kant wird klar: Ethik meint eine Art der eigenen Persönlichkeitsbildung, die darauf hinarbeitet, das «Richtige» zu tun. Was dieses «Richtige» ist, darüber streiten sich Philosophen seit Jahrtausenden. Klar ist nur, dass es etwas damit zu tun hat, mit sich selbst im Reinen zu sein und sowohl sich selbst als auch andere «gut», also wertschätzend zu behandeln. Würde sich jede:r «ethisch» verhalten, gäbe es keine Konflikte, den jede:r würde stets rational und moderat handeln. Es wäre in den Augen der Philosoph:innen die perfekte Gesellschaft.
Das alles ist natürlich aber viel leichter gesagt als getan – auch darüber sind sich die Philosoph:innen einig. Daher handelt es sich dabei um einen Gewöhnungs- und Lernprozess, der darauf abzielt, nur das «Gute» und «Richtige» zu wollen. Und das ist wiederum überhaupt erst ansatzweise erreichbar, wenn man sich mit sich selbst und seinen eigenen Gefühlen, Wünschen, Ängsten und Abgründen beschäftigt.
Und hier kommt die Literatur ins Spiel. Damit meine ich übrigens alle Arten von Fiktion: von klassischen Büchern über Hörbücher, Filme und Serien bis hin Spielen – einfach alles, was eine Geschichte erzählt. Denn gibt es eine bessere Gelegenheit, um über sich selbst und die eigenen Handlungen nachzudenken, als während bzw. nach einer Geschichte? Wenn wir uns mit der:dem Protagonist:in identifizieren, oder auch mit der:dem Antagonist:in, wenn wir mit den einen Charakteren mitfiebern und andere dafür umso mehr hassen?
Literatur, Filme, Spiele, Geschichten setzen uns einen Spiegel vor. Sie zwingen uns dazu, uns mit uns selbst zu beschäftigen, ganz egal ob wir wollen oder nicht. Das muss auch kein bewusstes Grübeln sein. Wenn uns eine Geschichte so richtig mitreißt, wenn wir uns beim Gedanken and die Charaktere ertappen, herzhaft vor dem Bildschirm lachen oder sogar die ein oder andere Träne auf den Buchseiten verwischen, wenn uns der Gedanke an eine bestimmte Szene glücklich macht und die Erinnerung an eine andere durch schwere Zeiten hilft: In all diesen Momenten beschäftigen wir uns bewusst oder unbewusst(!) damit – und zugleich mit uns selbst.
Eine Geschichte muss weder positive Dinge erzählen, noch überhaupt gefallen, um diesen Effekt zu erzielen. Auch, wenn wir sie abstoßend finden oder gar nicht verstehen, vielleicht der Handlung nicht so recht folgen oder die Entscheidungen der Protagonist:innen nicht nachvollziehen können, regt sie (in den allermeisten Fällen) trotzdem zum Nachdenken an. Hier zählen in erster Linie die Emotionen – sowohl positiv als auch negativ.
Egal, was man also für sich persönlich als das «Gute» oder «Richtige» definiert: Literatur regt uns dazu an, uns mit unterschiedlichen Situationen und Persönlichkeiten auseinanderzusetzen, uns in andere hineinzuversetzen, uns in fremden Welten zu verlieren und uns dabei ganz automatisch auch mit uns selbst zu beschäftigen. Genau aus diesem Grund ist Literatur nicht nur ein wichtiges Werkzeug der Ethik:
Literatur selbst ist immer auch ethisch.
Ich hoffe, euch hat mein kleiner Exkurs in die Welt der Philosophie gefallen! Habt ihr noch Fragen dazu? Oder Wünsche, Anmerkungen, Ideen? Dann hinterlasst gerne einen Kommentar!
Vor kurzem habe ich ein neues Projekt in Angriff genommen: die Fotografie! Schon seit vielen, vielen Jahren wollte ich mich eingehender mit dieser faszinierenden Kunst beschäftigen, aber irgendwie kam immer etwas dazwischen – Geld, Zeit, Motivation… Nun habe ich endgültig beschlossen, diese Ausreden nicht mehr gelten zu lassen!
Weg vom Automatikmodus
Mein neues Motto lautet von nun an: «Weg vom Automatikmodus». Genau genommen ist das nicht mein Motto, sondern stammt von dem wundervollen Blog von Lichter der Welt, die auch ein sehr informatives Buch zum Thema geschrieben haben.
Der Hintergrund ist, dass der Automatikmodus zwar überaus praktisch ist, aber halt auch sehr schnell an seine Grenzen kommt. Gut beleuchtete und relativ ruhige Motive lassen sich damit sicherlich schön ablichten – das war’s dann aber auch. Die Kamera ist schließlich nicht intelligent und kann nicht wissen, wie ich mir mein Bild vorstelle. Sie schlägt mir die Einstellungen vor, die auf Basis der Belichtungs- und Schärfewerte im «optimalen» Bereich liegen und möglichst viel abbilden. Die wirklich spannenden, bombastischen, wundervollen Motive und Szenerien kann man damit allerdings vergessen.
Im manuellen Modus habe ich dagegen die Chance, der Kamera exakt zu sagen, was ich fotografieren möchte, was im Fokus stehen soll, ob mein Bild absichtlich über- oder unterbelichtet werden soll und wie tief die Schärfefelder in meinem Foto sein sollen. Eine stimmungsvolle Silhouette im Abendlicht oder ein authentisches Portrait mit unscharfem Hintergrund? All das ist plötzlich kein Problem mehr, sobald man die Einstellungen selbst vornimmt und weiß, an welchen Rädchen man drehen muss. Außerdem reicht mir für Schnappschüsse im Automatikmodus auch eine billigere Kamera oder ein Smartphone. Wofür habe ich eine Spiegelreflex, wenn ich ihre Funktionen überhaupt nicht nutze?
Aber zurück zur Gegenwart: Ich habe also das Einstellrädchen auf meiner Nikon D6500, einer Einsteiger-DSLR von 2016, mutig weg vom leidlichen grünen Auto-Bildchen gedreht und bin losgezogen. Schließlich habe ich noch sehr viel zu lernen, bevor ich auch nur dran denken darf, meinem Equipment die Schuld für «nur durchschnittliche» Bilder zu geben. 🙂
Kunst & Technik
Die Fotografie ist einer der spannenden Bereiche, die Kunst und Technik auf einem sehr hohen Level miteinander verbinden. Denn einerseits muss ich als Fotografin meine Kamera kennen, verstehen, wie sie funktioniert, und wissen, wie (und warum!) physikalische Größen wie Licht, Farbtemperatur und Einfallswinkel mein Bild beeinflussen. Andererseits muss ich aber auch ein Auge für das Besondere im Gewöhnlichen haben. Ich muss lernen, Licht und Farben wirklich zu sehen, Linien und Strukturen in der Landschaft erkennen und aus all diesen Elementen ein Foto zu komponieren, das nicht nur «toll» aussieht, sondern Betrachter:innen in seinen Bann zieht, ihren Blick führt und so zum Verweilen, zum Nachdenken anregt. Und letztendlich muss ich mich natürlich auch mit dem Thema Bildbearbeitung auseinandersetzen, um das Beste aus meinen Bildern herauszuholen.
Die wichtigsten Parameter in der Fotografie – Blende, Zeit und ISO – kannte ich bereits und wusste zumindest, was sie grundsätzlich tun und wie sie das Bild beeinflussen. Damit war der erste und insgesamt bei Weitem leichteste Schritt immerhin getan. Das Zusammenspiel dieser drei Faktoren richtig zu begreifen und daraus tolle Bilder zaubern zu können, das ist natürlich eine ganz andere Nummer…
Für den Anfang, oder zumindest, bis ich mich dazu durchgerungen habe, mir Adobe Lightroom im leidlichen Abomodell zu gönnen, werde ich, ganz die Newbiene, im JPEG-Format fotografieren. Auf diese Weise übernimmt meine Kamera die digitale Entwicklung meiner Bilder für mich. Das möchte ich langfristig aber nicht auf mir sitzen lassen, denn ich will das Fotografieren wirklich lernen, und zwar richtig! Sobald also die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen, also zusätzliche Speicherkarten, eine neue externe Festplatte und Adobe Lightroom angeschafft sind, habe ich mir fest vorgenommen, auf das deutlich speicherintensivere RAW-Format zu wechseln und meine Bilder selbst digital zu entwickeln. Es bietet einfach zu viele Möglichkeiten, um wirklich alles aus den Bildern herauszuholen, und das ohne Qualitätsverluste. Plus: Bildbearbeitung macht Spaß! 🙂
Ich fotografiere übrigens ganz klassisch mit dem Standard-Kit-Objektiv mit 18-55 mm. Denn ich muss erst einmal die Einstellungen meiner Kamera auf der einen und die Themen Bildkomposition und Bildgestaltung auf der anderen Seite beherrschen lernen, bevor ich auch nur an besseres oder spezialisierteres Equipment zu denken brauche. Außerdem möchte ich es mir auch nicht «zu einfach machen»: Ein Objektiv hat nunmal spezifische Parameter in Bezug auf Brennweite und Blende bzw. Lichtstärke. Indem ich für den Anfang nur dieses eine verwende, bin ich gezwungen, mit diesen Bedingungen umgehen zu lernen und sie für meine Zwecke einzusetzen.
Die ersten Schritte
Wie bereits erwähnt, wühle ich mich derzeit durch das Einsteigerbuch von Lichter der Welt, das sich übrigens wunderbar flüssig liest! Neben der Aufgabe, das Zusammenspiel der einzelnen Einstellungen auf meiner Kamera zu verstehen, heißt es nun vor allem, verschiedene Möglichkeiten der Bildkomposition und Bildgestaltung kennenzulernen und umzusetzen, das Licht unterschiedlicher Tageszeiten und Wettertypen auszunutzen, um variierende Stimmungen zu erzeugen, und dabei überhaupt erst einmal einen Blick für passende Motive zu entwickeln. Der Weg ist noch weit, ich bin ja gerade erst losgelaufen, aber ich freue mich sehr auf diese persönliche Entwicklungsreise!
Und nun packe ich mal wieder meine Kamera und marschiere los: in den Garten, auf die Felder, in den Wald, an den See… meine Motive klingen erst mal nicht besonders spektakulär. Ich möchte aber versuchen, meine unmittelbare Umgebung in einem neuen Licht zu sehen und aus neuen Perspektiven in Szene zu setzen.
Hin und wieder werden ein paar ausgewählte Fotos auch ihren Weg hierher finden. Vielleicht in einer Art künstlerischem Tagebuch. Ob ihr dann nachvollziehen könnt, wie ich mich verbessere? Ich hoffe es doch!
Damit kann man arbeiten!
Es ist gar nicht so einfach, ein Feld ansprechend in Szene zu setzen. Hier habe ich versucht, über die Linienführung und den Schatten druch das seitlich einfallende Licht etwas Tiefe zu generieren.
Ein sehr spannenes Thema: natürliche Rahmen für das Motiv finden und nutzen!
Gegen die Sonne fotografiert kann auch die langweiligste Wiese etwas hermachen.
Das ist bisher mein absoluter Favorit! Mir gefällt, wie ich Mephisto genau im Profil in der Bewegung erwischt habe, und wie das Bild durch die optische Dreiteilung mit dem hellen Gras im Vordergrund, der Katze in der linken Bildhälfte und der dunkelgrünen Hecke als Hintergrund sehr schlicht und dennoch lebendig wirkt.
Mit dem Dschungelbuch brachte Disney 1994 die erste Realverfilmung der «Disney-Meisterwerke» in die Kinos. In den darauffolgenden 20 Jahren landeten sie mit 101 Dalmatiner (1996) samt Nachfolger 102 Dalmatiner (2000), der allerdings im Gegensatz zum ersten Teil nicht auf dem entsprechenden Zeichentrickfilm basierte, Alice im Wunderland (2010) und Maleficent (2014) zunächst wenige, aber durchaus solide Erfolge. Doch gerade in den vergangenen Jahren nahm dieser Trend immens an Fahrt auf, sodass wir uns nun mindestens im Jahresrhythmus auf neue Disney Classics Remakes freuen dürfen.
Obgleich der neue Hype um Disney viel Begeisterung rund um den Globus erfährt, sind auch die Kritiken enttäuschter oder gar empörter Fans nicht zu unterschätzen. Dabei halte ich es geradezu für eine Sünde, die Qualität der neuen Realverfilmungen der Klassiker an deren jeweiliger Nähe zur Trickfilmvorlage zu messen. Denn in diesen Filmen steckt so viel mehr!
In diesem Sinne sollen die Beiträge zum Thema «Disney Goes Real» mit einem meiner Lieblinge beginnen: Mulan lief im September 2020 in den Kinos beziehungsweise – aufgrund der leidlichen Pandemie-Situation – in erster Linie als Prämiumtitel auf Disney+. Seit Anfang Dezember 2020 ist Mulan schließlich für alle Disney+-Abonnenten ohne Aufpreis verfügbar und außerdem auf BluRay und DVD erhältlich.
Mulan als genuin feministische Figur
Schon vor der Premiere wurde Mulan (2020) mehrfach mit Shitstorms überzogen – sowohl politischer (zurecht!) als auch inhaltlicher Natur. Auf die politisch motivierte Kritik gehe ich an dieser Stelle nicht weiter ein, denn darüber wurde schon von vielen Seiten ausführlich und besser berichtet, als ich das könnte. Hier konzentriere ich mich auf eine inhaltliche Analyse der Handlung. Wer aber gerne mehr darüber wissen will, dem möchte ich z.B. diesen Beitrag von der Süddeutschen Zeitung an die Hand geben.
Die inhaltliche Kritik fiel demgegenüber sehr viel banaler, aber auch emotionaler aus. Etwa, als die Info an die Oberfläche trieb, der quirlige Minidrache Mushu sei als Sidekick im Realfilm nicht mehr vertreten. Auch die Ankündigung, in der Neuverfilmung würde auf die beliebten Disneysongs verzichtet, stieß im Vorfeld auf enormen Widerstand.
So viel zu den kritischen Schwarzseher:innen. Nach der Veröffentlichung konnte sich der Kritikspiegel dank zahlreicher lobender Bewertungen einschlägiger Portale, wie etwa Rotten Tomatoes oder Filmstarts.de, wieder ausgleichen. Die User:innenbewertungen dagegen beharren weiterhin auf einem stark durchwachsenen Konsens…
In meinen Augen ist Mulan (2020) allerdings ein wunderbarer Film. Und das hat neben der gelungen Umsetzung als bildgewaltiges Action-Abenteuer mit packenden Kampfszenen vor allem einen Grund: Die Figur Mulans überzeugt in der Neuverfilmung – anders als in der Zeichentrickvorlage – als genuin starke, selbstbewusste und vor allem feministische junge Frau.
Hinweis: Dies ist keine Review, sondern eine detaillierte inhaltliche Besprechung des Films. Aus diesem Grund lässt sich der ein oder andere Spoiler nicht vermeiden. Wer den Film lieber unvoreingenommen genießen möchte, sollte die Lektüre dieses Artikels so lange vertagen. 🙂
1) Mulan ist keine Kindergeschichte
Antike Legende light
Entgegen aller Einsprüche und dem Konstrukt eines Disney-Musikfilms ist Mulan kein Kinderfilm. Dies gilt in gewisser Weise schon für den Zeichentrickfilm von 1998, aber umso mehr für die Live-Action-Neuverfilmung.
Die meisten Disneyklassiker basieren auf einem Märchen oder einer Legende. In Mulans Fall handelt es sich um das chinesische Volksgedicht Ballade von Mulan (木蘭辭), das seinen Ursprung vermutlich Mitte des ersten Jahrhunderts fand und nach mehreren hundert Jahren der mündlichen Überlieferung erstmals im sechsten Jahrhundert nach Christus schriftlich festgehalten wurde. Über die Epochen hinweg entwickelten sich bis heute unzählige Versionen und Varianten der Erzählung – die beiden im europäischen und amerikanischen Raum Bekanntesten stammen dabei natürlich aus dem Hause Disney.
Die beiden Mulan-Interpretationen Disneys gleichen sich insofern, als sie von der weiblichen Selbstermächtigung im streng patriarchalen Umfeld des mittelalterlichen Chinas handeln. Es geht um Krieg, um Grausamkeit und um eine junge Frau, die alles auf das Spiel setzt, um ihren Vater zu schützen und eine Rolle einzunehmen, die ihr lediglich aufgrund der gesellschaftlichen Zwänge in Bezug auf das ihr zugesprochene Geschlecht verwehrt wird. Dabei packt Disney, wie so oft, eine ursprünglich grausam-realistische Erzählung in das Korsett eines Kinder- bzw. Musikfilms.
Mulan ist keine Disneyprinzessin
Sicherlich sorgen die tierisch-phantastischen Sidekicks Mushu und die namenlose Grille sowie die exzentrischen Geister der familiären Ahnen im Zeichentrickfilm für eine gehörige Portion kindgerechter Komik. Spätestens mit der Romanze zwischen Mulan und dem jungen, gutaussehenden und überhaupt betont männlichen Hauptmann Li Shang hat der Film zudem alles, was ein klassischer Familienfilm in der Fahrspur Disney’scher Tradition braucht.
Den gesellschaftskritischen und normenhinterfragenden Thematiken, die in der ursprünglichen Erzählung von Mulan angelegt sind, wird der Disneyfilm von 1998 dafür umso weniger gerecht. Sie werden zwar angesprochen, aber zugleich auf eine Art geframet, welche die brave Tochter in den Mittelpunkt rückt. Mulan möchte doch eigentlich nur alles richtig machen und schließlich heiraten, um ihrer Familie als Frau Ehre zu bereiten – ganz die typische Disneyprinzessin. Die klassisch-bildgewaltigen Lieder im Film unterstreichen diese simplifizierte und leicht verdauliche Variante einer uralten Krieger:innenlegende. Auch auf einen nachvollziehbaren Charakteraufbau wird zugunsten einprägsamer, aber nunmal auch eindimensionaler Stereotype beinahe gänzlich verzichtet.
In der Neuverfilmung hadert die Protagonistin dagegen wiederholt mit dem ihr auferlegten Rollenbild und den Erwartungen ihrer Familie, denen sie schlichtweg nicht entsprechen kann. Da ihr Vater Mulan als Kind alle Freiheiten gelassen hatte, konnte sie ihre eigene Persönlichkeit entwickeln. Und zu dieser gehört nunmal ihre Leidenschaft für das Körperliche, für die absolute Einheit mit ihrer Umwelt – kurz gesagt, Mulan beherrscht ihr Chi sehr gut. Blöd, dass dieses Privileg doch ausschließlich Männern vorbehalten sein soll…
2) Mulan ist gesellschaftskritisch
Die richtige Musik für das discrimination feeling
Mit dem erzählerischen Grundgerüst einer Protagonistin, die ihr Zuhause aufgrund äußerer Umstände verlassen muss, in der Fremde eine Charakterentwicklung durchmacht und schließlich nach Hause zurückkehrt, um letztendlich brav den ihr bestimmten Platz einzunehmen, wirkt Mulan (1998) wie eine light-Version von Der König der Löwen (1994). In diesem Vergleich fällt zwar auf, dass schon der Zeichentrickfilm eine im Gegensatz zu anderen Disneyfilmen der 90er und 2000er Jahre extrem geringe Dichte an gesungenen Liedern besitzt. Es sind insgesamt nur vier, wobei die letzten beiden in erster Linie dazu dienen, zeitraffende Sequenzen zu untermalen:
«Honor to Us All» («Ehre für das Haus»)
«Reflection» («Wer bin ich?»)
«I’ll Make a Man Out of You» («Seit ein Mann»)
«A Girl Worth Fighting For» («Die Frau, für die ein Kampf sich lohnt»)
Allerdings problematisiert keines der Lieder etwa die prekäre Lage der Protagonistin oder bestärkt die junge Frau in ihrer Persönlichkeit oder in ihrer Identitätsfindung. Stattdessen plakatieren sie allesamt ungeniert die gesellschaftlichen Rollen der Geschlechter: Von der Stilisierung der «idealen» (Ehe-)Frau in «Honor to Us All» und «A Girl Worth Fighting For», die das Weibliche stumpf objektifizieren, über das vor Selbstzweifel triefende Klagelied einer Protagonistin mit dem Wunsch, einer aufgestülpten Rolle zu entsprechen, in «Reflection», bis hin zur schamlosen Glorifizierung des Männlichen in «I’ll Make a Man Out of You». Ehrliche Selbstreflexion von Seiten Mulans? Pustekuchen! Mulans ernsthafter, innerer Konflikt, ihr eigenes Selbst und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden? Nicht mal ein Fünkchen ist zu spüren! Vielleicht sogar eine kritische Dekonstruktion des klassischen Frauenbildes? Da könnt ihr lange suchen! Die musikalische Untermalung lässt also jede Spur der in der Erzählung von Grund auf angelegten Gesellschaftskritik vermissen. Es handelt sich vielmehr um einen krampfhaften Versuch, aus der Legende von Mulan eine Kindererzählung zu erzwingen…
Der Realfilm von 2020 besinnt sich dagegen deutlich stärker auf die Ursprünge der Volkslegende. Zu diesem Zweck ersetzt er die Komik und bunte Unterhaltung seiner unmittelbaren Vorlage durch ernste und vor allem ernsthafte Szenen, welche die Balance zwischen einem fundierten Charakteraufbau und imposanter Actionsequenzen suchen. Zudem steht hier Mulans Weiblichkeit und ihre Ebenbürtigkeit gegenüber dem Männlichen im Mittelpunkt, wie der folgende Abschnitt eingehender thematisiert. Die Protagonistin muss sich nicht anpassen und am Ende auch nicht heiraten, sondern nimmt als stolze Frau und Kriegerin ihren Platz unter den Offizieren der kaiserlichen Garde ein. Der Schritt zum völligen Verzicht auf den inhaltlich problematischen, aber atmosphärisch auflockernden Musical-Flair und den – erzähltechnisch völlig überflüssigen, dafür, seien wir ehrlich, umso nervigeren – Minidrachen ist vor diesem ernsten Hintergrund nur die logische Konsequenz.
3) Mulan ist eine starke Frau
Stärke für den Mann, Intelligenz für die Frau
Mulan ist im Realfilm sowohl stärker als auch weiblicher als im Zeichentrick. Der Disney-Klassiker von 1998 beginnt mit einer jungen Frau, die verzweifelt nach der Anerkennung in den Augen aller anderen strebt. Um ihrer Familie als Frau Ehre zu bereiten, muss sie der Heiratsvermittlerin ihre perfekten Manieren und Sitten präsentieren, um ihre Chancen auf einen guten Ehemann zu erhöhen. Doch Mulan ist, kurz gesagt, nutzlos – und zwar in so ziemlich allem. Sie kann den Erwartungen ihrer Familie nicht gerecht werden, ganz zu Schweigen von denjenigen der Heiratsvermittlerin, wobei sie in den Augen der anderen Dorfbewohner generell als hoffnungsloser Fall dargestellt wird. Überhaupt ist sie durch und durch Tollpatsch, ist nicht glücklich in ihrer sozialen Rolle, hat keinen eigenen Charakter, aber wünscht sich eigentlich nur, das zu sein, was alle in ihr sehen: Eine gesellschaftsfähige, hübsche, stille junge Frau, die niemals ihre Gefühlsregungen zur Schau trägt und Männern gegenüber nicht das Wort erhebt.
Nachdem Mulan in ihrer gesellschaftlichen Rolle als «Frau» auf ganzer Linie versagt und nichts weiter als ein unglückliches Mädchen übrig bleibt, fasst sie den Entschluss, undercover den Dienst ihres Vaters als Soldat wahrzunehmen. Doch auch im Trainigscamp stößt sie unablässig an ihre Grenzen und scheint gar ohne den – männlichen! – Minidrachen Mushu kaum überlebensfähig in diesem testosteronüberfluteten Mikrokosmos. Dabei stellt sie sich in der Kriegerausbildung nicht etwa so ungeschickt an, wie es bei neuen Rekruten zu erwarten und ebendeshalb bei all ihren Kollegen der Fall ist, sondern übertrifft das gesamte Camp mit ihrer Schusseligkeit, sodass sie vom jungen, kompetenten und – natürlich! – gutaussehenden Hauptmann bald nach Hause geschickt wird. Erst als sie erkennt, dass sie ihre fehlende – da offenbar den Männern vorbehaltene – körperliche Kraft und Geschicklichkeit durch ihre (weibliche) Intelligenz wettmachen kann, findet sie ihren Platz in diesem neuen Umfeld. In einem kurzen Zusammenschnitt beobachten wir daraufhin die Rekruten, wie sie nun allesamt plötzlich und wie von Zauberhand die schwierigsten Übungen meistern – inklusive Mulan. Die Erklärung, was ihre Intelligenz an dieser Stelle mit ihren körperlichen Fähigkeiten zu tun hat, bleibt uns der Film schuldig. Hello, sweet plothole!
Intelligente Männer und starke Frauen?
Im Kontrast dazu beginnt der Realfilm Mulan (2020) ganz anders. Von Anfang an sehen wir ein kleines Mädchen und später eine junge Frau, die sich gerne bewegt, reitet und nicht zuletzt ihr Chi trainiert – einfach, weil es ihr liegt und Spaß macht. Der Film beginnt mit der Stimme ihres Vaters, der erklärt, dass er es nie über das Herz gebracht hat, seine quirlige Tochter diesbezüglich zu maßregeln und zu dem heranzuziehen, was von einer «richtigen» Frau erwartet wird. Einen entsprechenden Ruf hat die junge Mulan im Dorf, die als Frau, die ihr Chi beherrscht, hinter vorgehaltener Hand sogar als Hexe beschimpft wird.
Mehrmals spricht Mulan ihrem Vater gegenüber an, dass sie besser als Sohn hätte geboren werden sollen, da sie dann ohne Hindernisse die Rolle in der Familie einnehmen könnte, für die sie sich aufgrund ihrer geistigen und körperlichen Fähigkeiten (!) berufen fühlt. Dies bezieht sich dabei weniger auf ihre Geschlechtsidentität, als vielmehr auf die gesellschaftliche Position, die ihr aufgrund ihrer Weiblichkeit auferlegt wird und mit der sie sichtlich hadert. Dieser Kontext lässt im weiteren Verlauf des Films umso glaubwürdiger erscheinen, dass Mulan den anderen Rekruten aus körperlicher Sicht in keinster Weise nachsteht. Mit ihren Fähigkeiten im Kampf und ihrer bereits als Kind erlernten Beherrschung des Chi zählt sie von Beginn an zu den Besten der Truppe und verbessert ihr Können – analog zu ihren Kollegen – über den Verlauf der Kriegsausbildung stetig. Schließlich zählt in der Kampfkunst auch für die Männer weit mehr als die bloße Muskelkraft, die Mulan mit dem entsprechenden Training allerdings selbstverständlich auch als Frau aufbaut.
«She’s the best warrior amongst us»
Insgesamt liegt Fokus in Mulan (2020) also ganz klar darauf, dass sie den Männern körperlich wie geistig mehr als ebenbürtig ist. Auch die Tatsache, dass sich Mulan im Realfilm gegenüber ihrem Bataillon bewusst und willentlich offenbart, anstatt im Rahmen einer medizinischen Behandlung «aus Versehen» enttarnt zu werden, wie es im Zeichentrick geschieht, stärkt die Figur als selbstbewusste und mutige Frau, die sich ihrer Weiblichkeit nicht zu schämen braucht. Als Mulan erkennt, dass ihr Wert als Person nicht aus Geschlechterrollen, sondern aus Taten entsteht, nimmt sie ihr Frausein bedingungslos an. Dabei wird sie von ihren Kameraden unterstützt, die dem entrüsteten Kommandanten die Frage stellen:
You would believe Hua Jun, why do you not believe Hua Mulan? She risked everything by revealing her true identity. She’s braver than any man here. She’s the best warrior amongst us.
(„Ihr würdet Hua Jun glauben, wieso nicht Hua Mulan? Sie hat alles riskiert, als sie ihre wahre Identität offenbart hat. Sie ist mutiger als alle Männer hier. Sie ist der beste Krieger unter uns.“)
Diese Szene zeigt einmal mehr: Das Patriarchat fürchtet in erster Linie die Stärke einer emanzipierten Frau. Neben Mulan selbst wird das auch in der Figur Xianniangs unterstrichen, die im Realfilm neu aufgenommen wurde. Xianniang repräsentiert das Gegenstück Mulans als eine Frau, die ihr Chi beherrscht und aus diesem Grund von der Gesellschaft als Hexe beschimpft und ausgestoßen wird. Dass es sich bei ihr um keine genuin böse Figur handelt, wird spätestens in dem Moment offenbar, als Mulan ihr beweist, dass es doch einen Platz für «Frauen wie sie» in der Gesellschaft gibt – denn diesen Platz zu finden, ist ihr einziges, (v)erbittertes Ziel.
Frauen und Männer – doch nicht so unterschiedlich?
When a pair of rabbits run side by side, who can distinguish male from female?
(„Wenn ein paar Kaninchen nebeneinander rennen, wer kann das Männliche von dem Weiblichen unterscheiden?“)
Mit dieser ikonischen, das gesellschaftliche Geschlechterbild herausfordernden Frage kommentiert der chinesische Originaltext das Ende der Ballade – und mit der selben Frage beginnt auch der Live-Action-Streifen Mulan von 2020. Schon mit diesem Einstieg wird klar, dass sich der Film weniger auf seinen Disney-Vorgänger als vielmehr auf die überlieferte Ballade bezieht: eine gereimte Erzählung, in der Mulan ganze 12 Jahre als Krieger unter ihresgleichen lebt, bevor sie ihren Kameraden ihre weibliche Identität offenbart. Weder ihr Verhalten, noch ihre Fähigkeiten oder ihre Persönlichkeit ließen die anderen Soldaten an ihrer vermeintlichen Männlichkeit zweifeln. So dekonstruiert schon die antike Legende das klassische und über viele Jahrhunderte vorherrschende Frauenbild.
In ähnlicher Weise greift nun auch die Mulan-Neuverfilmung die gesellschaftlichen Rollenbilder auf und führt sie ad absurdum. Mulan ist eine Frau und Kriegerin, erfolgreich, stark und vielen Männern in deren vermeintlichem «Spezialgebiet», der Kampfkunst, überlegen. Als solche wird sie – nach dem sie ihre wahre Identität aus freien Stücken heraus offenbart! – auch von ihrem Bataillon und dem Kaiser erkannt und akzeptiert.
Loyal, brave, and true – das ist das Mantra eines jeden Kriegers. Mit dem letzten Teil hadert Mulan in ihrer neuen, männlichen Rolle im Verlauf des Films zunehmend. Denn mit ihrer verborgenen Identität kann sie das Gebot der Wahrhaftigkeit niemals erfüllen. In dem Moment allerdings, als sie diese gemeinsam mit ihrer Weiblichkeit bedingungslos annimmt, läuft sie zur vollen Form auf und rettet das Leben des Kaisers in einer Reihe mitreißender Actionsequenzen.
Und das ist der Grund, warum ich mir Mulan (2020) immer wieder gerne anschaue. Der Film besticht nicht nur durch seine Bildgewalt, actionreiche Kampfszenen und authentische, facettenreiche Protagonist:innen, sondern auch durch seine gelungene und moderne Aufarbeitung der Thematiken, die schon in der ursprünglichen Legende angelegt sind. Die Protagonistin findet letztendlich ihren Platz in der Gesellschaft, ohne sich länger verstecken zu müssen und ohne Kompromisse einzugehen.
Wer sich doch lieber selbst ein Bild machen möchte…
Schon seit langem spiele ich zwischendurch gerne mit sogenannten Drabbles herum. Drabbles sind pointierte Microgeschichten, die nur einer einzigen Vorgabe unterliegen: Sie müssen aus exakt 100 Wörtern bestehen. So unspektakulär das auch klingen mag, ist es tatsächlich gar nicht so einfach, eine in sich geschlossene Erzählung in so wenigen Worten auf den Punkt zu bringen. Daher sind Drabbles auch beliebte Fingerübungen für Schreiberlinge wie mich. Probier es doch auch mal aus!
Ursprünglich geht der Begriff des Drabbles auf den Sketch Big Red Book (1971) von Monty Python zurück. In dem Spiel «Drabbles – a word game for 2 to 4 players» sollten die Spielenden einen Roman verfassen, was in Großbritannien daraufhin sogar einen Hype auslöste. 1980 legte die Birmingham University SF Society die Länge der Drabbles schließlich auf 100 Wörter fest.
Neben dem klassischen Drabble mit 100 Wörtern gibt es inzwischen natürlich auch verschiedene Abwandlungen. So hat das Double-Drabble 200 und das Trabble – wär hätt’s gedacht? – 300 Wörter. Außerdem gibt es Schnapsdrabbles mit 111 Wörtern, Straßendrabbles mit 123 Wörtern, das Dribble mit nur 50 Wörtern und das Pentadrabble, das sogar 500 Wörter lang sein darf.
Viele der Drabbles, die hin und wieder auf Pawstorms auftauchen werden, sind im Rahmen von Writing-Promts und Schreibchallenges auf Belletristica entstanden und wurden dort auch erstmals veröffentlicht. Schaut gerne einmal auf meinem Profil dort vorbei oder seht euch in dieser lieben Community um!
Wenn ihr selbst schon einmal Drabbles geschrieben habt oder es einmal ausprobieren möchtet, schreibt oder verlinkt sie gerne hier in den Kommentaren! Vielleicht fällt euch zu meinen Stichworten ja selbst etwas ein? Ich bin gespannt auf eure Ideen 🙂
Jetzt gibt aber es erst einmal drei kleine Drabbles von meiner Wenigkeit – ich wünsche viel Vergnügen beim Lesen!
Gewaltig
Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen. Meine Finger verkrampften sich in den feuchten Handflächen. Alles um mich herum drehte sich, sodass es mir schwer fiel, an Ort und Stelle stehen zu bleiben. Mein Bauch bestand aus einem einzigen, harten Knoten.
Da Drehte der Drache seinen wuchtigen Kopf in meine Richtung. Seine rotglühenden Augen schienen mein Innerstes nach außen zu kehren. Sie ließen nicht von mir ab. Der durchdringende Blick brachte meinen gesamten Körper ins Wanken.
Plötzlich dröhnte eine gewaltige Stimme in meinem Kopf.
Du hast die Tiefen der Finsternis erblickt. Doch wirst du ihr auch standhalten können?
Süß
Die Schönheit beugte sich zu ihm hin. «Hast du schon einmal einen Succubus gejagt?»
«Ja, dieses eine Mal…», antwortete Geralt. «Sie war schön. Und stark.»
«Hat sie nicht versucht, dich zu verführen?»
«Oh… vielleicht ein bisschen.» Die Mundwinkel des Hexers zuckten leicht. «Aber man darf sich natürlich nicht blenden lassen.»
«Du hast sie getötet?»
«Ich habe meinen Job erledigt.» Er ließ eine Locke ihres seidigen Haares durch seine Finger gleiten.
«Das ist mein Held», hauchte sie, eine Hand auf seiner Brust. Ihre Lippen berührten wie zufällig sein Ohrläppchen. «Vielleicht bin ich ja selbst eine…»
«Tu dir keinen Zwang an. Ich weiß, dass du ein Succubus bist.» Mit diesen Worten gab sich Geralt der süßen Versuchung hin und küsste die verführerischen Lippen des Dämons.
Sieg
Luzifer fixierte die Beute mit seinen grün leuchtenden Augen. Der ganze Körper des weißen Katers war angespannt, von den Schnurrhaaren bis zur Schwanzspitze. Er duckte sich ein bisschen weiter, wagte kaum zu atmen. Keine falsche Bewegung! Es kann mir nicht mehr entkommen. Behutsam spannte er seine Krallen an, um den Untergrund und seinen Standpunkt zu testen. Diesmal würden seine Pfötchen nicht wieder unkontrolliert nach hinten wegrutschen. Er brachte seine Sprunggelenke in Position. Mit einem gewaltigen Satz schwebte er durch die Lüfte und packte seine Beute am Kragen. Sieg! Stolz reckte Luzifer sein Plüscheichhörnchen in die Luft und trabte leichtfüßig davon.
Ein Jahr und vier Monate, so lange war es nun totenstill um Pawstorms. «Da hat sie aber nicht lange durchgehalten!», wird sich so manche:r gedacht haben, als der junge Blog nach nur einer Handvoll Monaten in einen tiefen Dornröschenschlaf fiel. Immerhin werden persönliche Projekte viel zu oft enthusiastisch angefangen, nur, um schon nach kurzer Zeit wieder liegen gelassen zu werden und dann auf dem Abstellgleis der Passion ihr stummes Dasein zu fristen, auf alle Ewigkeit. Aber, wisst ihr was? Ich habe das Bloggen wirklich vermisst!
Doch lasst mich erst ein mal ein paar Worte loswerden – zu Träumen, Veränderungen und Entscheidungen.
Strange New Worlds
In den letzten zwei Jahren hat sich viel getan. Nachdem die Verteidigung meiner Masterarbeit wegen des Beginns der Corona-Pandemie um ein halbes Jahr verschoben werden musste, hatte ich meinen Uniabschluss erst kurz nach dem Startschuss von Pawstorms in der Tasche. Was dann folgte, waren turbulente Monate der Arbeitslosigkeit. Voller Stellensuche und Jobinterviews, gespickt mit unterschiedlichen Fortbildungen und Herzensprojekten. Und, ja: Eines dieser Herzensprojekte war Pawstorms, mein Blog der guten Geschichten.
«Wenn es doch ein Herzensprojekt war, wieso war es dann nur von so kurzer Dauer?», mag die:der ein:e oder andere nun fragen. Nun, wie so oft kam das Leben dazwischen. Glücklicherweise war meine Jobsuche von nicht allzu langer Dauer, auch, wenn ich nach knapp drei Monaten des Hoffens längst begonnen hatte an mir zu zweifeln. Doch dann: ein unerwarteter Lichtblick! Schon Anfang 2021 konnte ich meine neue Stelle antreten, in der ich mich bis heute sehr wohl fühle. So gut die Arbeit als PR-Redakteurin auch zu mir passt, war es dennoch erst einmal eine große Umstellung, von nun an Tag für Tag «gezwungen zu sein», Texte zu schreiben. Meine ganze kreative Energie floss also erst einmal in meinen Brotjob.
Doch das war noch nicht alles. Vor knapp einem Jahr stellten wir uns dann der nächsten Herausforderung: die Renovierung unseres neuen Heims! Was das allerdings für uns bedeutete, wurde uns erst mit der Zeit klar. Denn diesem Projekt sollte von diesem Zeitpunkt an jede freie Minute gewidmet werden. Selbst, wenn ich nach Feierabend noch einen Rest Motivation und Kreativität zusammen kratzen hätte können, waren die kostbaren Stunden längst für sehr viel handfesteren Aufgaben reserviert. Ausräumen und entsorgen, einreißen und aufbauen, streichen und spachteln, fließen und schleifen, Bodenlegen und Decken anbringen… nein, wir sind noch lange nicht fertig. Seit Anfang des Jahres ist die Wohnung allerdings «bewohnbar», sodass wir auch den lange ersehnten Umzug hinter uns bringen konnten.
Und ja, auch psychisch befinde ich mich in einem «ongoing struggle». Die mir aus meinen langen Studienjahren nur allzu bekannte Finsternis nagt an mir – ein Thema, über das viel zu selten offen gesprochen wird. Aber: Es hat keinen Platz in einer Geschichte des Neuanfangs, daher verbanne ich Selbstzweifel, Anxiety und Depression heute in ihre dunkle Ecke. Und wenn es nur für den Moment ist.
Some Things Never Change
Da sitze ich nun, an einem heißen Sommersonntagnachmittag, an einem schattigen Plätzchen in meinem Garten, angekommen im neuen Job, eingelebt im neuen Zuhause, und zum ersten Mal seit sehr langer Zeit im Reinen mit mir selbst. Und ich denke mir: «Wie ich es vermisse!» Einfach vor mich hin zu tippen, ohne Vorgaben, ohne meine Texte mit X Leuten abstimmen zu müssen, ohne Einschränkungen. Sie ist wieder da, meine Lust zu schreiben – endlich!
Und was läge in diesem Moment näher, als meinen kleinen, aber feinen Blog wiederzubeleben?
Das ist es nun also, der zweite Startschuss für Pawstorms. Das heißt allerdings nicht, dass ich jetzt konsequent mit einem oder sogar zwei Blogartikeln pro Woche aufschlage – dafür fehlen mir sowohl die Zeit als auch die Motivation. Wenn mir aber ein Thema durch den Kopf spukt, über das ich mich gerne auslassen will, eine Erzählung, die hinaus in die Welt möchte, ein Buch oder Film, zu dem ich unbedingt meinen Senf geben muss… dies ist und bleibt meine Plattform.
Wer also nach all der Zeit noch immer an Pawstorms glaubt, offen für neues ist, oder diesen kleinen Blog der guten Geschichten vielleicht gerade erst entdeckt hat: herzlich willkommen an Bord! Es ist schön, wieder da zu sein und euch (wieder) zu lesen!
Ein Wort zum Schluss
Auf jedes Tal folgt auch wieder ein Gipfel. Schlechtere, anstrengende, herausfordernde Zeiten sind niemals das Ende. Die Sonne wird wieder aufgehen, der nächste Sommer kommt (an dieser Stelle – und nur in diesem Moment! – dürft ihr den Klimawandel ausnahmsweise getrost vergessen) und das langvermisste Lachen wartet vielleicht gleich um die nächste Ecke. Nur Mut!
Hier, im abgeschiedenen Dorf in der Uckermark, glaubte Lola Randl einst, den Neurosen der Städter zu entkommen. Doch als sich ein neuartiger Virus mit kronenartigen Zacken über den gesamten Erdball ausbreitet, stellt sich die Frage, wie abgeschieden man her draußen wirklich ist. Von Fieber und Husten heimgesucht, entwickelt sie neuerdings dieses seltsame Verlangen nach Fleisch…
Zugleich wahr und frei erfunden
«Wenn Sie das hier lesen, wird das Gröbste schon vorbei sein. Vielleicht wird es aber auch erst noch kommen.» (S. 5) Mit diesen Worten beginnt Lola Randl ihren humorvollen Roman Die Krone der Schöpfung. Als ich diese einleitenden Sätze zum ersten Mal gelesen habe, Anfang Dezember des verrückten Jahres 2020, da bahnte sich das – zumindest bisher – Gröbste gerade so richtig an. Denn wie die Anspielung im aktuellsten Kontext vermuten lässt, handelt Die Krone der Schöpfung von der Covid-19-Pandemie im Frühjahr und Sommer 2020.
Die namenlose Protagonistin, der man jedoch nicht zuletzt unter Berücksichtigung des Klappentextes den ein oder anderen autobiographischen Zug unterstellen darf, lebt mit ihrer Mutter, ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in einem abgelegenen Dorf in Brandenburg. Die Bewohner dort befinden sich im Frühjahr lange in einer Blase, in die zwar beängstigende Nachrichten aus der «Zivilisation» dringen, die aber zugleich keinerlei Berührungspunkte mit dem berüchtigten Virus hat, was jenes lediglich zu einer nicht greifbaren, vagen und vor allem düsteren Bedrohung stilisiert – mehr Schein als Sein. Doch das ruhige Landleben wird zunehmend in Aufruhr gebracht, als sich immer mehr Stadtflüchtige in das Dorf der Erzählerin verirren und schließlich gar der offizielle Lockdown angeordnet wird.
Dieser durchaus realistische und authentische Kontext stellt dabei lediglich den erzählerischen Rahmen für jenen hochaktuellen Roman dar. Denn bei Die Krone der Schöpfung handelt es sich keinesfalls um eine Art akkuraten Erlebnisbericht der Corona-Pandemie. Viel mehr gelingt es Lola Randl in ihrem Roman, ihre eigenen, persönlichen und subjektiven Eindrücke der Ausnahmesituation in bildgewaltige Worte zu fassen. Wie sie bereits im Prolog ankündigt, ist die Handlung der Krone der Schöpfung «von ihr, also der Erzählerin, gehört, gelesen, erlebt oder ausgedacht worden» (S. 5). Des Weiteren verzichtet sie laut eigener Aussage auch bei den primär informativen Passagen des Textes auf «stichfeste Quellenangaben», da «aufgrund der Komplexität der Lage eine streng wissenschaftliche Herangehensweise nicht angemessen erscheint» (S. 5).
Schon in diesem lediglich eine Seite umfassenden, aber entgegen seiner Kürze umso gewitzteren Prolog zeigt sich die Metapoetizität des gesamten Werkes. Denn natürlich erwarten wir als Lesende eines mit «Roman» benannten Buches keine akademische Abhandlung und die in der Wissenschaft üblichen Quellenverweise würden unseren Lesefluss eher massiv stören. Genauso wenig erwarten wir einen faktualen Tatsachenbericht, wenn das Wörtchen «Roman» auf dem Buchcover steht. In dem provokanten Kommentar zu den Hintergründen des Textes beschreibt die Autorin vielmehr mit einem Augenzwinkern, wie literarisches, kreatives Schreiben ganz allgemein funktioniert: «So musste sich erst alles im Kopf der Erzählerin zu einem großen Ganzen vermischen, bevor sie dann, mit viel Feingefühl und ganz auf sich allein gestellt, ein klares Bild zu der Lage spann.» (S. 5)
So erleben wir in Die Krone der Schöpfung also in erster Linie den Alltag der Erzählerin während des ersten Lockdowns. Als wären die grotesken Erlebnisse der Erzählerin zwischen «dem Mann» und «dem Liebhaber», «den Kindern» und «den Nachbarn» in jenem brandenburgischen Dorf, so voller Ungewissheit ob einer möglichen Infektion mit dem gefährlichen Virus, für sich nicht schon unterhaltsam genug, so werden die kurzen Kapitel regelmäßig von Passagen zur jeweils aktuellen gesellschaftlichen und politischen Lage unterbrochen. Dabei handelt es sich sowohl um interessante Fakten rund um das Coronavirus als auch um satirische Kommentare zur gesellschaftspolitischen Situation.
Außerdem ist die Erzählerin – ebenso wie ihre Verfasserin – von Beruf Drehbuchautorin. So hat sie es sich in den Kopf gesetzt, eine Zombieserie zu schreiben, denn damit ließe sich jetzt, wo alle wegen des Lockdowns sowieso nur vor ihren Bildschirmen sitzen, sicherlich viel Geld machen. Unter der Titelreihe «Honka, Bar des Vergessens» wohnen wir also hautnah der Entstehung jener Trashserie bei, die es geradezu meisterhaft schafft, sämtliche Klischees des Zombiefilms wahllos zusammengewürfelt in einer Handlung zu komprimieren, die bescheuerter kaum sein könnte. Neben der offensichtlichen Kritik an den jüngsten Tendenzen der Unterhaltungsbranche karikiert «Honka, Bar des Vergessens» auf völlig überzogene Weise die Geschehnisse während einer Viruspandemie und das groteske Verhalten der Menschen, die im Angesicht der unsichtbaren Bedrohung jeden Verstand hinter sich zu lassen scheinen.
Von Viren, Zombies und dem ganz alltäglichen Wahnsinn
Die Krone der Schöpfung ist ein ungewöhnliches Buch. Der Stil, so eigenwillig er sein mag, fließt wie ein malerischer Fluss über die Seiten, erfasst in seinen wahllosen Biegungen und Stromschnellen gleichermaßen Fakt und Fiktion, Subjektivität und Beschreibung, Wunsch und Furcht, Alltag und Absurdität, und vereint all diese Elemente schließlich zu einem reißenden Strom, dem sich nichts und niemand zu entziehen vermag.
Keine der Figuren in Die Krone der Schöpfung hat einen Namen. Stattdessen werden sie alle mit ihrer Funktion bezeichnet. Bei der Erzählerin, dem Mann, dem Liebhaber, der Talkmasterin, und dem Redakteur etwa handelt es sich um genauso einzigartige wie austauschbare Charaktere. Die fehlenden Namen machen sie einerseits zu anonymen Silhouetten, in denen wir uns als Lesende selbst wiederfinden, und andererseits zu Stereotypen, von denen wir uns mit jeder Faser abgrenzen wollen, da sie unsere voyeuristisch-lästerische Ader ansprechen. Im Angesicht des Präsidenten oder des Mega-Virologen dagegen ist uns trotz der fehlenden Namen sofort klar, welche real existierenden Personen wir uns hier vorstellen dürfen. In ihrer unverkennbaren Art, als würde sie gerade über die belanglosesten Dinge plaudern, schafft Lola Randl in Die Krone der Schöpfung so eine strukturelle Kontinuität, die all die unterschiedlichen Passagen und Inhalte, all die Authentizität und die Absurdität zu einem großen Ganzen verschmelzen lässt.
Wenn man auch nur halbwegs angemessen über Die Krone der Schöpfung sprechen möchte, kommt man außerdem nicht umhin, ein paar Worte zu diesem wundervoll komponierten Titel zu verlieren. «Die Krone der Schöpfung» – ist damit der Mensch gemeint? Das liebevoll gestaltete Cover, das im Vordergrund zwei nackte Menschen in inniger Umarmung an einem malerischen Ufer neben einer Schlange zeigt, erinnert zweifelsfrei an jene biblische Schöpfungsgeschichte. Andererseits korrumpiert das Bild diese Interpretation in sich, denn nicht nur sind die beiden Figuren offensichtlich gerade im «sündigen Akt» begriffen, sondern auch ist «Evas» einzige Bekleidung ein Köcher voller Pfeile, von denen einer in «Adams» Rücken steckt. Im Hintergrund lauern unterdessen Zombies in einem See, noch weiter hinten verdecken die Rauchschwaden eines brennenden Wohnhauses den Mond. Wie eine Fortsetzung der dargestellten Situation wirkt dazu die Rückseite, die an der Uferstelle nurmehr einen großen Blutfleck zeigt, während die weibliche Figur inmitten zahlreicher Zombies zu baden scheint.
Eine nicht weniger plausible Interpretation ist natürlich «Corona», das lateinische Wort für «Krone». Ist also jenes Virus die «Krone der Schöpfung» und droht, uns alle zu unterjochen? Die Fledermaus, die prominent in den Vordergrund des Bildes baumelt, unterstreicht jene poetische Doppelbedeutung des Titels mit Blick auf das Virus mit den kronenartigen Zacken.
Ähnlich konfus, wie schon Titel und Cover auf uns wirken, stellt sich schließlich der gesamte Roman heraus. Manch eine*r mag sich in diesem Sammelsurium aus wissenschaftlichen Fakten, metapoetischen Anspielungen, unnützem Wissen und mehr oder weniger verhüllter Gesellschaftssatire verlieren. Und doch ist es jene Absurdität, die all die Unsicherheit und Verwirrung, das Furchterregende dieser neuen Bedrohung und den Alltag, der auch während der Pandemie und des Lockdowns ja doch irgendwie weitergehen musste, so hervorragend widerspiegelt.
Für Lola Randls Die Krone der Schöpfung kann ich nur eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen. Ich habe die Lektüre dieses ungewöhnlichen und unerwarteten Romans auf allen Ebenen genossen.
Wer sich selbst ein Bild dieses wunderbaren Romans machen möchte, sei herzlich dazu eingeladen, einen Blick in die Leseprobe zu werfen!
Mein Rezensionsexemplar von Lola RandlsDie Krone der Schöpfung habe ich im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks erhalten. Ich bedanke mich herzlichst sowohl für die spannende Leserunde als auch für die unterhaltsame Lektüre!
Beim Top Ten Thursday von Aleshanee (Weltenwanderer) geht es darum, jeden Donnerstag eine Liste aus zehn Titeln zu einem bestimmten, vorgegebenen Thema zusammenzustellen.
Passend zum Datum steht heute natürlich ein …
Weihnachtsspecial
… auf dem Plan. Das bedeutet, es gibt zehn einzelne Aufgaben für die zehn vorgestellten Bücher – rund um die Themen Weihnachten und Winter.
Meine heutige Auswahl ist eine bunte Mischung aus Titeln, die im mehr oder weniger engen Sinne mit Weihnachten zu tun haben, und einigen (Fantasy-)Klassikern. Ihr dürft wieder einmal gespannt sein!
Top Ten
1) Ein Cover so weiß wie Schnee
Es ist nicht lange her, dass ich zuletzt ein Buch mit einem Cover so weiß wie Schnee gelesen habe. The Guest List von Lucy Foley ist ein fesselnder Thriller, angesiedelt auf einer verlassenen irischen Insel im Atlantik. Dem Roman, der außerdem diesjähriger Gewinner des Goodreads Choice Award in der Kategorie «Best Mystery & Thriller» ist, gelingt es, in einem extrem kleinschrittigen Erzählstil – die Handlung erstreckt sich lediglich über zwei Tage – eine derartige Spannung aufzubauen, dass ich mich beim Lesen mehrmals dabei ertappt habe, die Luft anzuhalten.
Welchen Titel würde man wohl mehr mit Weihnachten verbinden, als Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichten. Der Band enthält drei der fünf bekannten Weihnachtsgeschichten des englischen Romanciers. Wenngleich der Titel trügerisch erscheinen mag, ist seine erste und zweifelsfrei bekannteste, «A Christmas Carol» im Deutschen in der Regel mit «Eine Weihnachtsgeschichte» übersetzt, nicht dabei. Stattdessen finden wir in diesem Sammelband «Der Behexte und der Pakt mit dem Geiste», «Die Silvesterglocken» und «Auf der Walstatt des Lebens», die sich in keinerlei Hinsicht vor der erstgenannten verstecken zu brauchen.
3) Eine Geschichte mit Charakteren, die zueinander halten
Ein Mann, der im wahrsten Sinne des Wortes durch die Hölle geht, um seine geliebte Frau vor einer Ewigkeit in der Verdammnis zu retten: Ja, Chris Nielsen hält wahrlich zu seiner Ehefrau Ann, die aus Trauer und Verzweiflung über seinen Tod Suizid beging. What Dreams May Come (Hinter dem Horizont) sticht mit seiner ernsthaften Thematisierung des Jenseits aus den anderen Werken des primär für seine Horrorromane bekannten amerikanischen Autors Richard Matheson heraus. Der Roman, der Motive aus unterschiedlichen Konzeptionen des Jenseits miteinander verknüpft, wurde zwar mit zahlreichen inhaltlichen Änderungen, aber nichtsdestotrotz sehr erfolgreich mit Robin Williams in der Hauptrolle verfilmt. Buch und Film sind gleichermaßen lesens- wie sehenswert.
4) Eine Handlung, die im kalten Norden stattfindet
Zugegeben, Der Goldene Kompass, der Auftakt von Philip Pullmans phantastischer Jugendbuchreihe His Dark Materials, spielt in einer phantastischen Parallelwelt zur Unseren und auch dort nur teilweise im kalten Norden. Die Reise der jungen Protagonistin Lyra und ihres Dæmons Pantalaimon in die Arktis, um die von der General-Oblations-Behörde entführten Kinder zu retten, einen wesentlichen Teil der komplexen Erzählung dar. Passend zum Thema lautet zudem der englische Originaltitel des Fantasy-Reihenauftakts Northern Lights, also «Nordlichter».
5) Ein Buch, das du geschenkt bekommen hast
Die mehrfach verfilmte Novelle Drei Männer im Schnee von Erich Kästner habe ich tatsächlich erst kürzlich von einer ganz lieben Freundin geschenkt bekommen – und zwar schlichtweg, weil ich es noch nicht kenne! Passend zur Jahreszeit steht die komödiantische Erzählung nun ganz oben auf meiner Leseliste und wird in den nächsten Tagen in Angriff genommen. Ich freue mich schon drauf!
6) Eine Geschichte, die in der Weihnachtszeit spielt
Der heilige Bimbam von Herrmann Mensing sticht als Jugendbuch, das sich eher an eine jüngere Leserschaft richtet, aus dieser Liste hervor. Es handelt sich um einen wunderbar unterhaltsamen, kindergerechten Weihnachtskrimi rund um die chaotischen Weihnachtsvorbereitungen der Familie Pepper. Denn die beiden Kinder haben ausgerechnet einen Hund als Weihnachtsgeschenk für ihre Eltern ausgesucht! Und der hört natürlich, passend zum Anlass, auf den Namen «Bimbam»…
7) Eine Geschichte mit einem Kind (Kindern) als Helden
Welcher Fantasyklassiker hat nicht nur eines, sondern gleich vier Kinder als Helden? Natürlich Narnia: The Lion, the Witch, and the Wardrobe (Der König von Narnia) von C. S. Lewis! Die Jugenderzählung um die Pevensie-Kinder Lucy, Susan, Edmund und Peter ist der ursprünglich erste Band der Narnia-Reihe und wurde von Disney mit Liam Neeson als Stimme des göttlichen Löwen Aslan erfolgreich verfilmt. Für einen Fantasyroman umfasst der Titel zwar erstaunlich wenige Seiten, die dafür umso dichter mit dem spannenden Abenteuer rund um den Kampf der vier zukünftigen König*innen Narnias gegen die Weiße Hexe Jadis und ihre skrupellose Armee.
8) Ein Buch, das in mind. 10 Sprachen übersetzt wurde
Auch hier muss ich auf einen weiteren Klassiker zurückgreifen, den ich einfach liebe. The Hobbit, or There and Back Again (Der kleine Hobbit) ist der erste Roman aus der Feder J. R. R. Tolkiens. Ursprünglich noch während seiner Zeit als Juniorprofessor als Erzählung für seine eigenen Kinder verfasst, sollte The Hobbit der Auftakt seines immens erfolgreichen Fantasy-Epos und in mehr als 60 Sprachen übersetzt werden. Von der mehrteiligen, aber kaum werkgetreuen Verfilmung dieses wunderbaren Büchleins halte ich persönlich nicht besonders viel, aber in den liebevollen Illustrationen Alan Lees kann ich mich dafür umso mehr verlieren.
9) Eine Geschichte mit Figuren aus der Mythologie
Als hätte diese Liste nicht schon genug geballte Fantasy-Epos-Power, wandern meine Gedanken beim Thema Mythologie als allererstes zu Rick Riordans grandioser Jugendbuchreihe Percy Jackson & the Olympians. Wie alle fünf Bände greift der Reihenauftakt The Lightning Thief (Diebe im Olymp) nicht nur inhaltlich auf die griechische Mythologie, deren Götter heute in den USA über dem Empire State Building residieren, und sämtliche damit in Zusammenhang stehenden Motive zurück, sondern ist auch aufgebaut wie ein klassischer Heldenepos. Daneben greift die spannende Erzählung der Abenteuer des Halbgottes Percy auch auf gesellschaftskritische Themen zurück, wie Inklusion, Diversität und Naturschutz. In meinen Augen ist Percy Jackson zweifelsfrei eine der besten Fantasyreihen, die je geschrieben wurden.
10) Eine Handlung mit märchenhafter Atmosphäre
Edzard Schapers Legende vom vierten Königkann beinahe schon als Märchen gelesen werden. Die Erzählung von dem kleinen König, der sich aufmacht, um das Christuskind zu sehen und zu beschenken, von seinem Weg jedoch immer wieder abkommt, handelt von Nächstenliebe, von Hingebung und von der Suche nach Gott. Es ist zwar eine durchweg christliche Erzählung, doch man muss kein gläubiger Christ sein, um ihre weihnachtliche Botschaft zu begreifen. Das Büchlein ist schnell gelesen und hinterlässt ein wohliges Gefühl im Bauch – genau die richtige Lektüre für die Feiertage.
Ich bedanke mich wie immer für die tolle Inspiration!
Leopold ist ein schwer gebeutelter Mann. Er hat eine Schwiegermutter, die er hasst und mit der er mehr Zeit verbringen muss, als ihm lieb ist. Warum? Seine Frau will es eben so. Die hat nämlich einen ausgeprägten Mama-Komplex. Das wäre an sich schon schlimm genug, wenn da nicht auch noch der Rest seiner sonderbaren Familie wäre: Seine pubertierenden Zwillinge, der schwerhörige Vater, die verträumte Mutter, die gefräßige Tante und der transsexuelle Bruder halten ihn ganz schön auf Trab. Zum Glück gibt es da noch Gregor, Leopolds einzigen Freund. Der wohnt einsam in einem verlassenen Haus mit Madame Lunette zusammen, einem äußerst einsilbigen Papagei. Doch auch Gregor hat mehr Macken als ein 20 Jahre altes Auto.
Zum Teufel mit der Schwiegerhexe
Zugegeben, ich hatte befürchtet, der Roman Zum Teufel mit Kafka aus der Feder Maria Zaffaranas endet genauso wie er beginnt: mit klirrenden, schrecklich blumigen, auf Hochglanz polierten Tassen. Aber nein, diese Befürchtung sollte sich als völlig unbegründet erweisen. Das Ende dieses schamlos überzogenen Büchleins gefällt mir sogar außerordentlich gut, denn, obwohl es die Handlung als fragmentarischer Cut an offener Stelle unterbricht, hinterlässt es in gewisser Weise doch ein rundes, abgeschlossenes Lesegefühl.
Anstatt den Gaul von hinten aufzuzäumen, sollten wir jedoch, auch wenn wir darüber sprechen, dort beginnen, wo ein jede*r Lesende*r ansetzt: Am Anfang. Ausgenommen sind hier natürlich jene, die ihre Lektüre, unbedacht etwaiger Spannungsbögen und offenbar gegen jegliche Spoilergefahr gefeit, stets auf der letzten Seite eines Romans beginnen. Bitte fühlt euch an dieser Stelle einfach mitgedacht und mitgemeint.
Zurück also zu den Tassen. Von diesen scheint Irene in Zum Teufel mit Kafka besessen, denn schließlich hat sie die Schmuckstücke von ihrer herzallerliebsten Mutter vermacht bekommen. Dass die gute alte Uschi die hässlichen Dinger aller Wahrscheinlichkeit nach ihrerseits nur elegant entsorgen wollte, möchte deren gutgläubige Tochter allerdings nicht einsehen. Irene, das ist übrigens die Ehefrau des Protagonisten Leo. Ja genau, der Leo, jenes schwer gebeutelte Mannsbild, das uns schon im Klappentext versprochen wird. Dieser führt uns nämlich auf gedanklich-assoziative Weise als autodiegetischer Erzähler – ein klassischer Ich-Erzähler, wenn man so will – durch den Roman, weshalb wir zur Genüge erfahren, was der gute Leo mag und was der gute Leo nicht mag, was dafür seine teuflische Schwiegermutter mag, denn diese beiden Bereiche stehen sich grundsätzlich komplementär gegenüber, und zu was sich der arme Leo alles opfern muss, um den «Familienfrieden» zu wahren.
Ja, das Leben des Familienvaters, Ehemanns, Schwiegersohns und Promi-Redakteurs Leopold ist alles andere als leicht. Wäre da nur nicht sein eigenbrötlerischer alter Studienfreund Gregor, dem er jeden einzelnen Tag einen Besuch abstattet. Gregor ist so ziemlich genau das, was man sich unter einer kafkaesken Figur vorstellt. Ein schweigsamer, introvertierter, sozialphobischer, möglicherweise asexueller selbsternannter Schriftsteller, der jedoch noch nie ein Werk fertigzustellen vermochte, ebenso wenig freiwillig mit Leuten in Kontakt tritt und außerdem von der finanziellen Unterstützung seines strengen Vaters abhängig ist. Von dem er sich übrigens bevormundet, kontrolliert und vor allem unter Druck gesetzt fühlt – allem Anschein nach zurecht. Jedenfalls scheint die beiden ein extrem konfliktträchtiges Verhältnis zu verbinden. Na, klingelt’s?
Schrill, schräg und doch – authentisch?
Zum Teufel mit Kafka entführt uns in den Alltag einer kleinbürgerlichen Familie irgendwo in einer deutschen Großstadt. Nicht in Bayern, so viel ist klar, denn aus Bayern kommt hier nur Uschis dümmliche wirkender fünfter Ehemann Gustl, der die Berge über alles liebt und allem – und damit meine ich wirklich allem – anderen offenbar völlig teilnahmslos gegenüber steht.
Der Roman verfolgt weder einen klaren Handlungs- noch einen Spannungsbogen und lässt uns stattdessen jenen Alltagswahnsinn in der Familie Leopolds miterleben. Im Grunde hangelt er sich von einer pointierten, aber ungeliebten Familienzusammenkunft zur nächsten und wird dabei immer wieder von den assoziativen Reflexionen des Erzählers über die anderen anwesenden Personen und vergangene gemeinsame Erlebnisse unterbrochen. Die Komik entsteht aus der satirischen Überzeichnung von Situationen, bei denen sich vermutlich ein jede*r früher oder später eingestehen muss, die eigene Familie in gewisser Weise wiederzuerkennen.
Die Figuren in Zum Teufel mit Kafka – allen voran Leo, daneben seine Frau Irene, seine pubertierenden Zwillingskinder, die garstige Schwiegermutter Uschi samt Mann und gefräßiger, aber herzallerliebster Schwester, seine eigenen Eltern und natürlich seine Schwester Alicia, die zwar permanent erwähnt wird, aber leider nur sehr spärlich selbst die Bühne betritt – nehmen allesamt statisch-stereotypische Rollen ein, die zwar in sich selbst völlig skurril repräsentiert werden, aber in ihrer Dynamik als Familie eine Authentizität ausstrahlen, die doch geradezu aus dem Leben gegriffen zu sein scheint. Nicht zu vergessen natürlich Gregor, der eigentlich so gar nichts mit Leos Familie am Hut hat, was dabei wiederum wenig verwunderlich ist, da er neben seinem Papagei Madame Lunette mit absolut nichts etwas am Hut hat.
Was mir während der Lektüre von Zum Teufel mit Kafka jedoch bei all dieser parodistisch-schrägen Liebenswürdigkeit in zunehmendem Maße bitter aufstieß war die Figur Alicias, der Schwester Leopolds. Genau genommen finde ich ihre Figur sogar ganz hervorragend und hätte mir eine größere Rolle für die erfolgreiche und von dem ganzen Kindergarten offenbar völlig unbeeindruckten Ärztin inmitten dieser chaotischen Familienzusammenkünfte gewünscht. Dass sie es allerdings weiß, sich aus dem Familienwahsinn rauszuhalten, kann ihr aber vermutlich niemand verübeln. Nein, was mich mit jedem Kapitel mehr störte, war das kontinuierliche Misgendering dieser Trans-Frau. Denn Alicia war einst Leopolds Bruder, hatte ihr Coming-out aber bereits als Jugendliche.
Natürlich muss ich dem Text die gewisse Komik eingestehen, die aus einer gewohnheitsmäßigen Verwirrung der Artikel und Personalpronomen herrühren kann. So kommentiert etwa der Protagonist mit einem leicht resignierten Unterton das Verhalten ihrer beider – durchaus liebevollen und liebenswerten – Mutter, die sich darüber echauffiert, dass Alicia immer ihr Sohn bleibe und sie deshalb der Meinung sei, von «dem Alicia» zu sprechen sei ein guter Kompromiss für alle. Leo selbst spricht zu Beginn im Wechsel von «ihm» und «ihr», ja scheinbar völlig wahllos von «seinem Bruder» und «seiner Schwester» – auch hier bin ich noch gewillt, eine gewisse humoristische Note in dieser bisweilen erzwungenen Alltagskomik erkennen zu wollen. Allerdings wandelt sich die zur Schau gestellte Identitätsverwirrung ziemlich schnell in ein kontinuierliches Misgendering, das im konsequenten «mein Bruder Alicia» für den gesamten Rest des Romans jegliche Spur eines Witzes missen lässt und sich stattdessen für ein rundum cissexistisches Framing dieser so wunderbar angelegten Figur entscheidet.
Eine kafkaeske Hommage
Zum Teufel mit Kafka kann guten Gewissens als das gelesen werden, was es zu sein verspricht: eine humoristische Hommage an einen großen Schriftsteller. Die Rolle des eigensinnigen Gregors schreit den Lesenden nur so ins Gesicht: «Ich bin eine Kafka-Figur!» – und das liegt nicht nur an der Namensvetterschaft mit Kafkas bekanntestem literarischen Charakter. Humoristisch-überzogen, das steht außer Frage, verkörpert Gregor das, was man sich von dem in sich gekehrten, mit sich selbst hadernden Franz Kafka vorstellt.
Doch die impliziten Kafka-Referenzen gehen über die wenigen Passagen hinaus, in denen Leopold seinen egozentrischen Freund besucht. Da wäre etwa der berühmte Vaterkomplex, aus dem in der Figur Irenes auch ein Mutterkomplex wird, die Gesellschaftskritik in Form der grotesken Familienzusammenkünfte, innerhalb derer alle hemmungslos zu ihrem tatsächlichen Charakter aufzublühen scheinen, die kontinuierlich auf die Probe gestellten, aber niemals hinterfragten Machtbeziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern und nicht zuletzt der Protagonist selbst, der sich permanent mit seinem Umfeld vergleichen muss und dementsprechend die täglichen Auszeiten im unmittelbaren Gegenüber Gregors zu brauchen scheint, um sich selbst seine eigene, gefestigte Position als kleinbürgerlicher Familienvater bewusst zu machen.
Maria Zaffarana präsentiert ihren Lesenden in Zum Teufel mit Kafka auf geschickte Art und Weise deren eigene, groteske Lebensrealität. Dies gelingt ihr, ohne dabei jenen bedrückenden Schwermut zu provozieren, der sich vergleichbarer Texte nicht selten bemächtigt. Nein, Zum Teufel mit Kafka hangelt sich von einer humoristischen Pointe zur nächsten, sorgt für eine durchweg erheiternde Leseatmosphäre – und hält uns ganz nebenbei ebenjenen unbarmherzigen Spiegel vor Augen, in dem wir uns an dem Alltagswahnsinn einer Familie ergötzen, die noch chaotischer scheint als die eigene.
In dieser Kurzgeschichtensammlung geht es um Unheimliches und Übernatürliches aus dem Donaumoos und dem Städtedreieck Ingolstadt-Augsburg-Neuburg. Es handelt sich um spannende Gruselgeschichten, die sich stilistisch an Klassikern wie Poe, Blackwood, King oder M.R. James orientieren, aber größtenteils in der Gegenwart spielen und teilweise auf tatsächlich vorhandenen regionalen Legenden basieren.
11 mal Grusel mit einer Prise Heimat
Wir lebten damals in einer kleinen Mansardenwohnung im tristen Augsburger Vorort Lechhausen.
Creszentia, S. 14
Was für einen freudigen Satz mein Herz bei diesem Satz machte, der die erste der elf unter dem Titel Creszentia versammelten Kurzgeschichten einleitet. Ich selbst bin in Augsburg geboren und sogar in einem angrenzenden Stadtteil aufgewachsen, weswegen diese erste Geschichte schon von vornherein mein besonderes Interesse geweckt hat.
Mit 42 Seiten ist «Adele mit den großen Augen» (01) die längste Kurzgeschichte des Bandes. Diese Länge bekommt man zu Beginn auch erst einmal zu spüren. Der Autor nimmt sich sehr viel Zeit für den Charakteraufbau des jungen Protagonisten Tommy und seiner geheimnisvollen Freundin Adele. Dies sowie die seitenweise Beschreibung des kindlichen Alltags ließen mich für einen Augenblick befürchten, dass sich die Erzählung in ihren Längen verlieren würde. Doch dann, relativ mittig, kam dieser eine Satz, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ, der mir zum ersten Mal eine stumme Gänsehaut bescherte. Ab diesem Moment nimmt die Geschichte enorm an Fahrt auf und schafft es, eine beinahe greifbare Spannung zu generieren. Nach einem Einstieg, von dem ich zunächst nicht so recht wusste, was ich davon halten sollte, hat mich diese erste Schauergeschichte letztendlich richtig gepackt.
Die zweite von Alexander Lorenz Gollings Kurzgeschichten spielt im Urdonautal, genauer in einer fiktiven, mittelalterlichen Klosterruine, um die sich dunkle Sagen ranken. Der Protagonist Meiniger ist das Stereotyp eines geschiedenen Mannes mittleren Alters. Motiviert von seinem Interesse für Zeitgeschichte und Archäologie verbringt er ein Wochenende in einem abgelegenen Landhotel, um den Stress des Alltags abzuschütteln. Von seiner Wanderung zu jener mittelalterlichen, inzwischen verfallenen Abtei wird er allerdings nicht mehr zurückkehren… Im Gegensatz zur vorherigen Erzählung ist «Das letzte Fresko» (02) mit nur 15 Seiten kurz und knackig. Obgleich ich ein paar Mal über die exzessive Nutzung des Wörtchens «jetzt» stolperte, gelingt es dem Autor, die Atmosphäre dieser Landschaft und der historischen Ruine auf den wenigen Seiten einzufangen. Einzig die «plötzliche» Ruhe und den Stimmungsumschwung des Protagonisten ganz am Ende konnte ich nicht so recht nachvollziehen. Die Vorhersehbarkeit allerdings sowie die spärlichen Details nahmen der Geschichte einen großen Teil ihres angelegten Gruselpotentials.
Das «Klassentreffen» (03) spielt wieder in Augsburg und besticht durch seine surrealen Elemente. Der Protagonist Marc Leiber erhält eine Einladung für ein Klassentreffen an seiner alten Schule. Doch dort entpuppt sich nichts als das, was es scheint… Die dritte Kurzgeschichte in Creszentia mag auf den ersten Blick einen etwas wirren Eindruck machen, was jedoch in meinen Augen von einem stilistisch geschickten und fließenden Übergang vom Realen ins Übernatürliche zeugt. Im Stil einer Poe’schen Groteske rückt der Protagonist in «Klassentreffen» mit jedem Schritt weiter in ein albtraumhaftes Delirium, das seine tiefsten Ängste wahr werden lässt.
«Lethargie des Nachmittags» (04) hebt sich etwas von den vorherigen Erzählungen ab, da diese Geschichte nicht wirklich als «schaurig» bezeichnet werden kann. Der Protagonist der «Lethargie des Nachmittags» erlebt ein übernatürliches und sicherlich auch furchteinflößendes Phänomen, als ihn auf subtile Weise ein verzweifelter Ruf nach Hilfe erreicht. Trotz des Ekelfaktors einzelner Beschreibungen ließ mich diese vierte Kurzgeschichte mit einem zufriedenen Bauchgefühl zurück. Die Erzählung ist traurig, aber auf eine gewisse, melancholische Weise auch irgendwie schön.
«Irrlicht» (05) ist in meinen Augen das große Highlight von Creszentia. Die Erzählung hat nicht nur den bislang ersten Protagonisten ohne Alkoholproblem und Nikotinsucht, sondern bietet auch die ein oder andere unerwartete Wendung. Alle Vermutungen, die man zu Beginn so anstellen kann, werden im letzten Drittel über den Haufen geworfen, wobei der Kurzgeschichte eine durchaus humorvolle Note verliehen wird. Wie im Vorwort angekündigt, wird dem oberflächlichen und narzistischen Charakter eine gehörige Lektion zuteil, die er sicherlich nie mehr vergessen wird. «Irrlicht» beweist einmal mehr, dass eine richtige Gruselgeschichte keine Leichen oder angsteinflößende Monster braucht, um ihren Lesenden einen Schauer über den Rücken zu schicken.
«Die Wächter von Veruda» (06) ist dagegen eine Reminiszenz an die griechisch-römische Mythologie, eingebettet in ein idyllisches Bild des zeitgenössischen Kroatiens. Auf einer winzigen Insel vor der Küste Istriens erwacht eine alte Legende zum Leben – was der Protagonist am eigenen Leibe erfahren muss. Auch diese Erzählung bietet mit ihrem etwas aus dem Rahmen der restlichen Kurzgeschichten fallenden Setting der Mittelmeerküste ein genüssliches Leseerlebnis, obgleich ich immer wieder darüber schmunzle, wie leicht Männer doch zu manipulieren sind…
«Schneetreiben» (07) versteht es, von Anfang an eine unheimliche Spannung aufzubauen. Wenngleich man im Angesicht der sehr von sich überzeugten Geisterjäger zunächst doch immer wieder schmunzeln muss, so wird diese erheiternde Atmosphäre nach und nach von einer düsteren Ahnung abgelöst. Der Protagonist begibt sich mit einigen durchaus skurril anmutenden «Kollegen» auf die Spuren eines tragischen Unglücks, das sich im 18. Jahrhundert an jenem Ort im Donaumoos ereignete. Dem Protagonisten wird seine erste, richtige Begegnung mit dem Übernatürlichen versprochen. Als die Nacht schließlich voranschreitet, werden so einige seiner Überzeugungen auf die Probe gestellt.
«Blick in den Abgrund» (08) sticht aus den anderen Erzählungen in Creszentia durch einen verhältnismäßig starken Charakteraufbau hervor. Hier stehen zwei Figuren im Mittelpunkt, denen ein neugieriger Blick in die Tiefen eines Abgrunds letztendlich zum Verhängnis wird. Dieser Blick ist dabei sowohl wörtlich als auch metaphorisch zu verstehen. Denn es handelt sich um einen Blick in die tiefsten Abgründe der eigenen Seele. Obgleich ich beim Lesen zunächst über die klischeehafte Assoziierung von Pädophilie und Kinderschänder beziehungsweise -mörder stolperte, entwickelte die Geschichte mit der Zeit eine ungeahnte Tiefe – nicht nur im wörtlichen Sinne.
Die relativ kurze Geschichte «Ab-teilungen» (09) strotzt nur so vor schwarzem Humor und brachte mich unwillkürlich zum Lachen. Die Handlung ist zwar nichts Besonderes, denn es geht um eine leider allzu gewöhnliche Kürzung von Arbeitsplätzen in einem mittelständischen Unternehmen. Was jedoch dem ebenfalls relativ blassen Protagonisten widerfährt, löste in mir in erster Linie Gefühlswogen der Genugtuung aus. In diesem Sinne ist es auch nicht weiter schlimm, dass man sich als Lesende kaum mit dem egozentrischen Adrian Ehrwald zu identifizieren vermag, sondern stattdessen die Rolle unbeteiligter Beobachter einnimmt.
Bei der wiederum sehr langen titelgebenden Erzählung «Creszentia» (10) handelt es sich zweifelsfrei um einen Höhepunkt des Bandes. In der Form einer Reihe von Briefen an seine Verlobte erfahren wir, was der Hilfskoch Johannes Zirnhauser im Herbst 1891 als Angestellter auf dem Schloss eines Barons am Rande des Donaumooses erlebte. Der Autor bemühte sich an dieser Stelle sichtlich um einen veralteten Sprachstil, was er über weite Strecken auch auf authentische Weise vermittelt. Auch, wenn der spontane Wechsel des Barons zwischen depressiver Trauer und Enthusiasmus mich etwas vor den Kopf stieß, so kam ich doch nicht umhin, mit ihm und den Geschehnissen auf seinem Schloss mitzufiebern.
Als typische Schauergeschichte, die mehrere kanonische Elemente miteinander vereint, bildet «Andreasnacht» (11) den Abschluss von Creszentia. Wie Alexander Lorenz Golling in seinem Vorwort selbst anmerkt, finden wir in «Andreasnacht» ein einsames Landhotel mitten auf der Schwäbischen Alb, eine beeindruckende und geschichtsträchtige Steinformation in einer mystifizierten Umgebung und eine regionale Sage. Dabei hat die Handlung allerdings wenig mit der volkstümlichen Losnacht zu tun. Obgleich die Geschichte einen etwas zusammengewürfelten Eindruck macht, bildet sie doch einen schaurigen Abschluss des Geschichtenbandes.
Schauerliteratur wie sie im Buche steht
Alexander Lorenz Gollings Schreibstil zeichnet eine Distanziertheit aus, welche die Lesenden stets in die Rolle der unbeteiligten Zuschauenden versetzt. Wenn es mitunter auch schwer fällt, sich mit den durchweg stereotypischen Männerfiguren mittleren Alters zu identifizieren, so ist dies in Creszentias Kurzgeschichten kein großartiger Nachteil. Denn der nüchterne, zumeist personale Erzählstil baut zugleich eine gewisse Vertrautheit zu seinen heimlichen Voyeuren auf, die diese hautnah mit den ungeheuerlichen Schicksalen der Protagonisten konfrontiert.
Creszentia bietet eine Reihe schauriger Kurzgeschichten, wie sie im Lehrbuche stehen. Die Analogien und stilistischen Schulterschlüsse mit den großen Klassikern des Genres treten immer wieder deutlich hervor. Dabei ist es dem Autor jedoch gelungen, seinen Erzählungen eine individuelle und unverkennbare Note zu verleihen. Daneben punktet Creszentia ganz klar durch den Heimatbonus. Zum Großteil im Raum Neuburg an der Donau bis Augsburg angesiedelt, genieße ich es als Lesende, meine Heimat in den Geschichten wiederzuerkennen.
PS: Die Geschichten in Creszentia eignen sich ganz hervorragend dazu, um sie einander in düsteren Herbst- und Winternächten gegenseitig vorzulesen…
Kurz & Bündig
Positiv
Negativ
Schreibstil
Reminiszenz an die alten Meister der Schauerliteratur ★
Mein Exemplar von Creszentia habe ich im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks erhalten. Ich bedanke mich herzlich beim Autor Alexander Lorenz Golling für die Zusendung des Rezensionsexemplars.
Beim Top Ten Thursday von Aleshanee (Weltenwanderer) geht es darum, jeden Donnerstag eine Liste aus zehn Titeln zu einem bestimmten, vorgegebenen Thema zusammenzustellen.
Die heutige Aufgabe lautet
10 Bücher von Autor*innen, deren Name mit einem K anfängt
Ich muss zugeben, dass ich tatsächlich kurz davor stand, die Vorgabe des (Nach-)Namens mit «K» auf den Vornamen auszuweiten… Aber dann habe ich doch noch die Kurve gekriegt und bin auf die Anzahl zehn gekommen! Obwohl wir erst seit Kurzem bei der Aktion mitmachen, werden sich heute dafür leider schon ein paar Titel wiederholen.
Top Ten
1) Die Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling
Beginnen möchte ich diese Liste mit einem absoluten All-Time-Favourite. Marc-Uwe Kling nimmt in seinen dreibändigen Känguru-Chroniken nicht nur sämtliche gesellschaftliche Themen auf’s Korn, sondern schafft es – nicht zuletzt mit seiner stimmgewaltigen Art des Vortragens –, diese Komik in den gleichsam lustigen wie packenden Abenteuern seines eigenen fiktiven Alter Egos und des Kängurus zu kulminieren. Neben der allgegenwärtigen Gesellschaftssatire finden sich in den Büchern außerdem allerlei humorvolle Anspielungen auf die Populärkultur, wobei insbesondere der dritte Band Die Känguru-Offenbarung in seinem gesamten Aufbau die klassische Heldenreise aus der High-Fantasy imitiert, was zu unzähligen ultrakomischen Momenten führt – nicht nur für Fans von Herr der Ringe oder Star Wars.
2) QualityLand von Marc-Uwe Kling
Normalerweise achte ich darauf, dass jede*r Autor*in in einer Top-Ten-Liste nur ein Mal vertreten ist. Aber mit QualityLand hat der Kleinkünstler Marc-Uwe Kling eine zweite Romanreihe geschaffen, die in ihrer komischen Genialität kaum zu übertreffen ist. Bei den bisher zwei Teilen – wobei das Ende von QualityLand 2.0 ganz klar auf einen dritten Band abzielt – handelt es sich um eine Science-Fiction, in der sich alles um intelligente Maschinen und künstliche Intelligenzen im Allgemeinen dreht. Die humoristischen Momente ergeben sich dabei allerdings in erster Linie aus den Analogien und Anspielungen auf unsere Gegenwart, die in diesem Zukunftsentwurf konsequent und durchaus plausibel weitergedacht wird.
Mit La Maîtresse de Guerre möchte ich euch einen Fantasyroman vorstellen, der mich gefesselt hat wie lange zuvor keiner mehr. Leider ist der Titel des französischen Autors Gabriel Katz meines Wissens noch nicht ins Deutsche übersetzt worden, was mehr als schade ist. Aus diesem Grund richtet sich diese Empfehlung leider nur an Leute, die der Sprache mächtig sind und gerne Mal ein Buch auf Französisch lesen. Obgleich Magie nur ganz am Rande eine Rolle spielt, handelt es sich bei La Maîtresse de Guerre um eine überaus komplexe High-Fantasy-Geschichte um die junge Kaelyn nordischen Ursprungs, die mit allen Mitteln darum kämpft, in die Fußstapfen ihres Vaters zu steigen und als Kriegsherrin ausgebildet zu werden. Die Chance dazu bekommt sie ausgerechnet, als sie als einfache Soldatin von einem verfeindeten Kriegsherren auf dem Schlachtfeld gefangen genommen wird. Denn dieses Unglück eröffnet ihr den langen und steinigen Weg von der Sklaverei bis in die Oberschicht des Sultanats von Azman…
4) Rosehill von Susanna Kearsley
Susanna Kearsleys Rosehill wird oft in die Kategorie Highland-Romance gesteckt, was ich allerdings als deutlich unzureichend empfinde. Natürlich, wie sollte es bei diesem Setting auf einem alten schottischen Anwesen auch anders sein, spielt eine Liebesgeschichte zwischen der Protagonistin und zwei Männern – einer davon ist natürlich ein Schotte 😉 – eine gewisse Rolle, aber eigentlich geht es in Rosehill um viel mehr. Die Protagonistin Verity kann ihr Glück kaum fassen, als sie die Chance bekommt, im schottischen Rosehill nach der letzten Ruhestätte der legendären Neunten Legion zu forschen. Doch die beste Spur der Archäologen ist ein neunjähriger Junge, der von sich behauptet, Geister wahrnehmen zu können! Die Autorin hat diesen Roman nicht nur akribisch recherchiert, sondern meistert auch den Balanceakt, übernatürliche Elemente glaubhaft in einem realistischen und ernsthaften Kontext zu verankern.
5) Ruhm. Ein Roman in neun Geschichten von Daniel Kehlmann
Mit Ruhm hat Daniel Kehlmann einen Roman geschaffen, der das hält, was er im Untertitel verspricht: Ein Roman in neun Geschichten. Alle dieser einzelnen Geschichten, die man kaum «Kapitel» nennen kann, sind lose, aber gleichzeitig gewissermaßen unzertrennbar miteinander verknüpft, wobei dieser Knotenpunkt zumeist eine, mitunter lediglich erwähnte, Figur ist. Dabei handelt es sich bei Ruhm allerdings nicht nur um die Geschichten von neun Personen, deren Leben in einem gewissen Zusammenhang zueinander stehen. Nein, in Ruhm findet eine ausgeprägte metaleptische Struktur Anwendung, welche die einzelnen Geschichten ineinander verschachtelt und so ein komplexes System verschiedener Erzählebenen generiert.
6) Das Dschungelbuch von Rudyard Kipling
Wer kennt es nicht, Disney’s Dschungelbuch? Tatsächlich aber basiert die beliebte Disneyverfilmung auf einem britischen Klassiker von Rudyard Kipling aus dem Jahr 1894. Das Dschungelbuch kann eher als Kurzgeschichtenband beschrieben werden und umfasst insgesamt sieben Erzählungen, von denen die ersten drei von dem berühmten Findelkind Mowgli handeln, der von der Wölfin Raksha aufgezogen wird. Die restlichen Geschichten drehen sich jeweils um unterschiedliche Tiere des Dschungels, die nur noch im kontextutellen Sinne mit den Mowgli-Geschichten in Zusammenhang stehen.
7) Pirates of the Caribbean von Rob Kidd
Rob Kidd ist das Pseudonym verschiedener Autor*innen, die im Auftrag Disneys die Vorgeschichte zur Blockbuster-Reihe Pirates of the Caribbean, zu Deutsch Fluch der Karibik, verfassten. Die Pirates of the Caribbean-Romane umfassen 13 Bücher unter dem Titel Jack Sparrow, die von den Abenteuern des jugendlichen Jack Sparrow erzählen, und vier Werke der Reihe Legends of the Brethren Court, die von dem jungen Piratenkapitän Jack Sparrow handeln und ungefähr 13 Jahre vor den Geschehnissen des ersten Films The Curse of the Black Pearl angesiedelt sind.
8) Ich bin dann mal weg von Hape Kerkeling
Der deutsche Entertainer Hape Kerkeling ist in erster Linie als Komiker und Moderator sowie aufgrund seiner Kunstfiguren bekannt, allen voran der rasende Reporter Horst Schlämmer. Mit Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg trat er 2006 schließlich auch unter die Autoren. In seinem Reisebericht schildert er seine Erlebnisse auf der berühmten Pilgerreise nach Santiago de Compostela, die er im Jahr 2001 unternahm. Dabei setzt er sich mit den körperlichen und psychischen Herausforderungen auseinander, die jene Pilgerreise mit sich bringt, und berichtet in einem lockeren Ton von den Begegnungen und Erfahrungen, die er dort machen durfte.
9) Roman eines Schicksallosen von Imre Kertész
Zu den autobiographischen Texten gesellt sich außerdem der Roman eines Schicksallosen des ungarischen Holocaust-Überlebenden Imre Kertész. In seinem Roman schildert der Literaturnobelpreisträger die Erlebnisse des 15-jährigen György, der in die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald deportiert wurde. Dabei erfahren wir als Lesende hautnah den brutalen Lageralltag und die Eindrücke jener Gefangenen aus der Perspektive eines Jugendlichen. Die Erzählung ist auf eine kindliche Weise unschuldig, aber authentisch. Durch die Fiktionalisierung erreicht der Roman eines Schicksallosen allerdings eine ungeschönte Eindrücklichkeit, die Auschwitz jeglicher Mystifizierung entreißt.
10) A Guide to Gender von Sam Killermann
A Guide to Gender – The Social Justice Advocate’s Handbook sticht aus dieser Liste heraus, denn hierbei handelt es sich mitnichten um einen Roman oder einen sonstigen fiktionalen Text. Stattdessen erleben wir als Lesende eine humorvolle und kunterbunte Reise in die Welt der Geschlechter und der gesellschaftlichen Konzepte von Geschlecht und sexueller Orientierung im Kontext der sozialen Gerechtigkeit. Sam Killermann selbst ist US-amerikanischer Comedian, Aktivist und Künstler, der unter anderem durch seinen Entwurf eines universalen, alle Geschlechter einschließenden Toilettensymbols bekannt wurde, das sich inzwischen auf der ganzen Welt verbreitet hat. Das sympathische Büchlein A Guide to Gender gibt es inzwischen in einer zweiten und überarbeiteten Auflage.
Mulan und die Gesellschaftskritik: Warum die Neuauflage des Disney-Klassikers gelungen und die Figur Mulans nun stärker denn je ist.
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