Ein Tablet mit dem E-Book-Cover von Angi Delazis "Elladur: Das Erwachen". Daneben ist ein Teil einer gefüllten Teetasse zu sehen. Im Hintergrund befindet sich ein blaugrünes Tuch mit floralem Muster.

„Elladur: Das Erwachen“ von Angie Delazi | Rezension

Titel:Elladur: Das Erwachen (Band 1)
Autorin:Angie Delazi
Veröffentlichung:Mai 2020
Verlag:Selfpublishing

Klappentext | Elladur: Das Erwachen

Liya, die jüngste Abgesandte des Königs von Namoor, erkennt schon bald, dass sich mit dem Auftauchen eines alten Pergamentes die Welt, die sie kennt, von Grund auf ändern wird. Ewan, ihr bester Freund und Hauptmann des Königs, hat es einem Schmuggler abgekauft. Verfasst in der alten Sprache enthält es Wissen aus dem untergegangenen magischen Reich Elladur. Wie jedes Jahr ist Liya ins Nachbarland gereist, um die Handelsverträge für ihren König neu zu verhandeln. Als Jadmar, der Fürst von Eryon, die Hochzeit seiner Tochter mit dem Prinzen des verfeindeten Dar’Angaar ankündigt, bedeutet dies nicht nur massive politische Umwälzungen, sondern vielleicht auch Krieg. Daraufhin schickt König Louis Liya nach Dar’Angaar, um die Lage auszuspionieren. In heiklen Missionen dieser Art ist sie auch deshalb erfolgreich, weil sie über die Gabe der Magie verfügt. Dies hält sie allerdings geheim. Zu Liyas Entsetzen entpuppt sich der Prinz als ihr ehemaliger Geliebter Haydn. Auch erkennt sie, dass eine weit größere Gefahr als ein Krieg droht. Grausame Kreaturen treiben ihr Unwesen. Das teilweise entschlüsselte Pergament weist auf eine Sternenkonstellation hin, die bald eintreten wird. Die Rede ist von Pforten in eine Welt hinter einem Band, wo ein dunkler König auf seine Rache wartet. Plant tatsächlich jemand, eine solche Pforte zu öffnen? Auch muss Liya sich ernsthaft fragen, ob die Drachen mehr als nur eine Legende sind und welche Rolle ihr bei all dem zukommt.

Wenn deine Welt aus den Fugen gerät

Der Tag wird zur Nacht, und die Nacht ist sein.
Er ist der Schatten, der auf deine Welt zeigt, und die ewige Dunkelheit, die bleibt.
Nichts wird mehr sicher sein, denn die Seele in dir ist sein.

Elladur: Das Erwachen, geheimnisvolle Prophezeiung

Elladur: Das Erwachen ist der Auftakt einer brandneuen Fantasy-Trilogie und zugleich Erstlingswerk der österreichischen Autorin Angie Delazi. Ganz im Stil klassischer High Fantasy entwirft der Roman eine völlig neue, fantastische Welt, in der sich über gut 600 Seiten hinweg ein komplexer Handlungsstrang entfaltet. Erst taucht eine geheimnisvolle Schriftrolle aus der «Alten Zeit» auf, dann verkündet der Fürst von Eryon ein Heiratsbündnis mit dem neugekrönten König von Dar’Angaar und stellt sich somit gegen seine Schutzmacht Namoor, denn Dar’Angaar und Namoor sind seit dem Großen Krieg vor einhundert Jahren verfeindet. Alls sei dies nicht schon genug, scheint außerdem das Band zwischen den Welten stärker zu werden, der gestaltlose Herrscher, die Finsternis, droht die Welt in Chaos zu stürzen und Liya muss sich inmitten politischer Machtkämpfe, Intrigen und Geheimnisse entscheiden – zwischen ihrem König, ihrem Land und ihrem Vermächtnis.

Die junge Protagonistin Liya, mit ihren bescheidenen 18 Jahren bereits Meisterspionin, exzellente Kämpferin und erste Abgesandte des Königs von Namoor, hütet ein dunkles Geheimnis: Sie besitzt die Gabe und kann somit Magie wirken. Nur, dass dies in ihrem Heimatland unter strenger Strafe steht und niemand davon erfahren darf. Auf ihren Reisen durch Namoor, Eryon und Dar’Angaar wird Liya jedoch immer öfter dazu gezwungen, ihre Fähigkeiten einzusetzen. Ihre Kraft wächst, aber mit ihr auch die Gefahren. Merkwürdige Vorkommnisse überziehen die Länder, schreckliche Überfälle geschehen, Geheimnisse kommen ans Licht, Gerüchte verbreiten sich und die Herrscher versuchen im Angesicht des drohenden Krieges verzweifelt, ihre Völker zusammenzuhalten und interne Konflikte zu ersticken. Liya begibt sich auf die Suche nach der Wahrheit um das sagenumwobene Land Elladur, doch letztendlich entpuppt sich nichts als das, was es zu sein scheint.

Ein Fantasy-Epos mit Stärken und Schwächen

Buchcover: "Elladur: Das Erwachen" von Angie Delazi

Mit ihrem bildgewaltigen Schreibstil gelingt es der Autorin, ihren Figuren in Elladur: Das Erwachen sehr nahbare und authentische Charakterzüge zu verleihen. Mit der Ausnahme des – auch nach Abschluss der Lektüre dieses ersten Bandes geheimnisvoll bleibenden – Prologs lernen wir die Wellt um das längst vergangene Königreich Elladur aus der Perspektive Liyas kennen. Wir erleben ihre Ängste und Sorgen, ihre Leidenschaften, ihr Pflichtbewusstsein und ihre innere Zerrissenheit.

Aufgrund ihrer vielen Fähigkeiten und dem hohen Grad an Verantwortung, der ihr als erste Abgesandte vom König übertragen wird, wirkt Liya älter, als sie tatsächlich ist. Im Gegensatz dazu scheinen die meisten der anderen Figuren ihren gesellschaftlichen Stand zwar zu respektieren, sie insgeheim aber gewissermaßen als klassisch naive junge Frau zu empfinden. Die Protagonistin wird permanent zwischen diesen beiden Entwürfen ihrer selbst hin und her geworfen und ist sich der Ambivalenz auch selbst bewusst. Es macht sie aber nicht weniger authentisch, im Gegenteil: Indem wir als Lesende mit Liyas Blick die bizarre Dualität jener Momente der Pflicht neben jenen der Bevormundung erleben, erfahren wir auch, man möchte sagen am eigenen Leibe, ihre persönliche Zerrissenheit zwischen Selbstbewusstsein und Hilflosigkeit.

Der anschauliche Erzählstil bringt uns die Charaktere und die Welt mit ihren eng verschränkten politischen Strukturen auf plastische Weise näher. Der Handlungsverlauf von Elladur: Das Erwachen ist nicht nur dem Genre der High Fantasy entsprechend komplex, sondern folgt auch einem lehrbuchhaften Spannungsbogen, der den beachtlichen Umfang des Romans durchweg mit packenden Geschehnissen füllt.

Allerdings passiert zwischen jenen, zumeist recht spannungsgeladenen Passagen leider nur sehr wenig. Nicht selten vergehen viele Tage bis Wochen zwischen den einzelnen Kapiteln, in denen es offenbar absolut nichts Erzählenswertes zu berichten gibt. Auch die langen Reisen, auf denen sich die Protagonistin in dieser gewaltigen Fantasywelt immer wieder befindet, werden gänzlich ausgespart. Passieren wirklich nur in den Städten beziehungsweise an den wenigen benannten Orten und zu bestimmten Tageszeiten relevante Dinge? So wirken die einzelnen Szenen und Kapitel jedenfalls wie zerrissen und relativ stumpf aneinandergereiht. Sicherlich muss man sich bei einer Erzählung, die sich innerfiktional über mehrere Monate zieht, nicht jedem einzelnen Tag widmen. Jedoch bieten diese langen, ereignisleeren Zeiträume Gelegenheiten, um die vielen Figuren und die Gesellschaftsstrukturen näher darzustellen, was gerade am Beginn eines solch komplexen Fantasyepos wichtig wäre. Denn wie soll ich als Lesende die Handlungen und Entscheidungen eines Charakters in einer Ausnahmesituation beurteilen, wenn es keinen «Normalzustand» gibt, von dem sie sich abheben? Wie die Tragweite politischer Entscheidungen begreifen, wenn lediglich in einem unbedeutenden Nebensatz erwähnt wird, was «eigentlich» zu tun wäre?

Zu jenen Lücken im Handlungsverlauf von Elladur gesellen sich außerdem einige, potentiell sehr spannende Szenen, deren Potential schlichtweg nicht ausgeschöpft wird. Etwa wird mit einem Satz, wie «Im nächsten Moment sprang eine Kreatur aus der Dunkelheit und zerfleischte eines der Pferde vor dem Karren» (Kap. 25) so ziemlich jeder Versuch eines Spannungsaufbaus im Keim erstickt. Überhaupt sind Kampfszenen im Allgemeinen leider die große Schwäche des Romans. Im Gegensatz zu den gleichermaßen sprachlich geschickten wie handlungstechnisch starken Passagen, bei denen einzelne Figuren, zwischenmenschliche Interaktionen und gesellschaftliche Geschehnisse im Mittelpunkt stehen, wirken die – glücklicherweise nicht allzu häufigen – Kämpfe klobig, ungelenk sowie chaotisch und missen überdies jeglichen Nervenkitzel. Da hilft es auch nichts, dass sich der Puls der Protagonistin in nahezu jedem Kapitel mindestens ein Mal beschleunigt und zu rasen beginnt…

Gelungener Auftakt mit Potential

Trotz aller Kritik ist Elladur: Das Erwachen ein fesselnder Auftakt eines faszinierenden und innovativen Fantasy-Epos. Minuspunkte gibt es für den leider nur bedingt flüssigen Handlungsfortschritt sowie die verwirrenden und wenig realistischen Kampfszenen. Als Lesende, die sowohl mit Techniken des Schwertkampfes als auch mit dem Umgang mit Pferden vertraut ist, stellte es mir bei manchen diesbezüglichen Passagen die Nackenhaare auf. Hier wäre eine eingehendere Recherche seitens der Autorin angebracht, um den entsprechenden Szenen mehr Lebensnähe und Authentizität zu verleihen.

Nichtsdestotrotz sind die angesprochenen Kritikpunkte überwiegend im Detailbereich angesiedelt. Über weite Strecken, insbesondere die weniger kampflastige erste Hälfte sowie das Finale, konnte mich der Roman begeistern und ich mochte ihn kaum aus der Hand legen. Dies ist für einen selbstpublizierten Debütroman durchaus eine beachtliche Leistung. Die zahlreichen Figuren sind charakterstark und die fantastische, überaus komplexe Welt – ich sage es gerne ein weiters Mal – ist wunderbar anschaulich und farbenfroh gestaltet.

In diesem Sinne möchte ich trotz der erläuterten Kritik eine Leseempfehlung aussprechen. Elladur: Das Erwachen schafft es, einen unmittelbar hineinzuziehen in die Intrigen und Machenschaften zwischen Namoor, Eryon und Dar’Angaar. Der Trilogieauftakt macht große Lust darauf, zu erfahren, wie es mit Liya und ihren Freunden (und Feinden) weitergeht. Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr auf den nächsten Teil und bin davon überzeugt, dass sich Angie Delazis Texte mit jeder Veröffentlichung noch verbessern werden.

Denn in Elladur schlummert großes Potential! Überzeugt euch selbst:

Elladur – das Erwachen

Kurz & Bündig

PositivNegativ
SchreibstilAnschaulich & packend ★Sprachliche Ungenauigkeiten, klobige Kampfszenen ☆
SpannungStreckenweise intensiv ★Einige Längen, nicht ausgeschöpftes Spannungspotential einzelner Szenen ☆
CharaktereAuthentisch & zahlreich ★
SettingDetailreich & fantasievoll ★
HandlungSehr komplex ★Teilweise abgehackt & fragmentarisch ☆

Bewertung: ★ ★ ★ ☆ ☆

Ich bedanke mich herzlich für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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