Genshin Impact: Ein blau schillernder Drache im Anime-Zeichenstil, davor eine grün gekleidete Person

Genshin Impact | PS4 | Review

Titel:Genshin Impact
Entwickler:miHoYo
Publisher:miHoYo
Plattformen:Microsoft Windows, PlayStation 4, Android, iOS
(Angekündigt: Nintendo Switch, PlayStation 5)
Preis:Gratis, In-Game-Käufe möglich (Gacha-System)
Release:28. September 2020

Die Geschichte eines Geschwisterpaars

Sehnlichst hat die Gamingwelt auf den Release des Zelda: Breath of the Wild-Klons Genshin Impact gewartet. Die Ähnlichkeiten des Open-World-Action-RPG zum Vorbild in Bezug auf das Artdesign und einige Spielemechaniken sind offensichtlich, und doch ist es dem chinesischen Entwicklerstudio miHoYo gelungen, etwas ganz Eigenes ins Leben zu rufen. Und das auch noch völlig kostenlos!

Naja, fast. Das Spiel selbst steht zwar kostenfrei zum Download bereit, aber irgendwie muss das seit 2012 bestehende Entwicklerstudio schließlich trotzdem Geld verdienen. Ein großer Kritikpunkt, der in sämtlichen Medien zuhauf durchgekaut wurde, ist deshalb das sogenannte Gacha-System. Dabei handelt es sich um In-Game-Käufe von Lootboxen, deren Inhalte die Spielerfahrung aufwerten (sollen). Das Gacha-System ist allerdings nicht zu verwechseln mit dem allseits verabscheuten Pay-to-Win-Verfahren, bei dem der Name Programm ist. Stattdessen erhalten die Lootboxen in Genshin Impact Charaktere und Items, die nicht notwendig für einen erfolgreichen Spieldurchlauf sind, aber eben gewisse Vorteile mit sich bringen, wie etwa spaßige Kampftechniken.

In dieser Review möchte ich allerdings von weiteren Kommentaren zu diesem sicherlich umstrittenen Spielprinzip Abstand nehmen und meinen Fokus auf den Inhalt legen, also die Story und das Spielerlebnis. Denn, obgleich ich kein großer Fan davon bin, vertrete ich die Meinung, dass miHoYo einen hervorragenden Balanceakt zwischen Bezahlsystem und Content zustande gebracht haben. Aber dazu später mehr. Der offizielle Launch-Trailer bietet euch erste Eindrücke von dem Erlebnis, das euch in Genshin Impact erwartet.

Genshin Impact – Official Launch Trailer

Von Elementarkräften und einer uralten Verschwörung

Themenvorschau von Genshin Impact – „Gnostiker-Erlebnisbündel“|Englische Synchronisation

In Genshin Impact spielen wir eine Reisende beziehungsweise einen Reisenden, je nachdem auf welchen der beiden Protagonisten die Wahl in der Eingangsszene fällt. Ähnlich wie im jüngsten Assassin’s Creed-Titel wird der jeweils andere Part des Geschwisterduos automatisch zum Antagonisten. So handelt die Story von zwei Geschwistern, die beide ihr Gedächtnis verloren haben und um das elementare Gleichgewicht der riesigen Welt Teyvat ringen. Die Geschichte fasst der offizielle Storyteaser treffend zusammen.

Genshin Impact: Paimon, eine schwebende, kindliche, engelshafte Figur. Anime-Zeichenstil
Genshin Impact: Paimon

Unmittelbar nach der erwähnten Eingangsszene findet sich der gewählte, individuell benannte Avatar, der im (englischen) Voiceover nur als «Traveler», also «Reisende» oder «Reisender» bezeichnet wird, an einem idyllischen Strand wieder, wo sie auf Paimon trifft. Paimon ist von nun an die Begleitung der Spielenden, wobei es sich um eine androgyne, beinahe kindliche Figur handelt, die zu allem einen schlauen Kommentar beiträgt. An der Seite von Paimon erkunden wir also das riesige Land Teyvat, in dem bislang die – ebenfalls für sich jeweils beachtlichen – Gebiete Mondstadt, wo sich alles um das Element Wind dreht, und Liyue, das der Erde zugeordnet ist, bereist werden können. Weitere Gebietsabschnitte entsprechend der sieben Elemente Cryo (Eis), Dendro (Leben), Pyro (Feuer), Hydro (Wasser), Anemo (Luft), Geo (Erde) und Electro sind geplant. Dabei werden die Spielenden einerseits durch eine komplexe Mainquest sowie zahlreiche Nebenquests und Aufgaben quer durch die Welt geschickt, andererseits aber auch zum selbstständigen Erkunden animiert.

Wie bereits erwähnt, sind die Parallelen zum Open-World-Zelda-Titel Breath of the Wild in Bezug auf viele Gegnertypen und das allgemeine Kampf- und Questsystem sowie die Fähigkeit mithilfe eines Schirmes durch die Luft zu gleiten und die Karte durch die Aktivierung von Türmen aufzudecken offensichtlich. Im Gegensatz zum Vorbild, bei dem sich die Größenverhältnisse der weitläufigen Map bisweilen verlaufen, ist Teyvat jedoch geradezu vollgestopft mit Details. So kann man sich tatsächlich kaum fortbewegen, ohne auf Gegner, versteckte Truhen, Challenges, Dungeons, NPC-Dörfer, Collectibles oder Quests zu stoßen. Sowohl die Hauptstädte als auch die Landschaften sind wirklich liebevoll gestaltet und schreien geradezu danach, entdeckt zu werden.

Die Haupthandlung von Genshin Impact ist sicherlich keine Innovation, bietet aber trotzdem einen soliden Unterhaltungswert. Neben dem Kernkonflikt um das Geschwisterpaar geht es um alte Götter, imposante Drachen, gefährlicher Magier und «ganz normale Menschen» – kurzum alles, was ein guter High-Fantasy-Epos so braucht. Unterstützt wird das Spielerlebnis von humorvollen Dialogen, welche es locker mit diversen AAA-Titeln aufnehmen können. Positiv sticht außerdem hervor, dass man nahezu jeden der zahlreichen NPCs im Spiel ansprechen und sich dessen Geschichte anhören kann, so irrelevant dies für den Storyverlauf auch sein mag. Bisweilen erhält man auf diese Weise auch kleinere Items oder Hinweise zu bestimmten Orten.

Genshin Impact: Figuren Jean, Diluc, Venti und der weibliche Traveler. Anime-Zeichenstil
Genshin Impact: Jean, Diluc, Venti, Traveler

Neben dem Erkundungswahnsinn ist der nennenswerteste Aspekt von Genshin Impact das Kampfsystem. Auch dieses ist offensichtlich an das Vorbild angelehnt, was sich nicht zuletzt im Angesicht der unterschiedlichen Gegner offenbart, die sehr an Zeldas Bokblins, Moblins, Flederbeißer, Pyromagus und Schleime erinnern. Im Unterschied zu Breath of the Wild allerdings stellen die Spielenden in Genshin Impact aus verschiedenen, teilweise im Storyverlauf und teilweise aus Lootboxen ergatterten Charakteren ein vierköpfiges Team zusammen. Zwar ist immer nur eine dieser Figuren als Avatar aktiv, aber es ist jederzeit möglich, zwischen den ausgewählten Charakteren zu wechseln. Dies ist auch unabdinglich, da sich die Avatars neben unterschiedlichen Nah- und Fernkampfwaffen sowie Kampfstilen auch in den ihnen zugeordneten Elementen und somit auch in ihren Spezialangriffen unterscheiden. So müssen die Spielenden, ähnlich wie in Pokémon, stets die Wechselwirkungen der sieben Naturelemente im Blick behalten, um gegen die diversen Gegner passende Kampfstrategien anzuwenden und auch selbst nicht ins Hintertreffen zu geraten. Bemerkenswert ist außerdem, dass sich jeder der möglichen Charaktere durch einen unverwechselbaren Charakter und eine ausgearbeitete Hintergrundgeschichte auszeichnet, die, wenn sie nicht in den Verlauf der Haupthandlung eingeflochten ist, wie es bei den wichtigsten Figuren der Fall ist, zumindest über das Menü abrufbar ist – sogar mit Voiceover!

Leider bekommt all die Abenteuerlust spätestens im Late-game einen gehörigen Dämpfer. Ich selbst stecke zwar noch mitten in der Mainstory, denn Genshin Impact bringt es mit allen Nebenabenteuern auf etwa 70 bis 100 Stunden Spielspaß. Der dem Game gewidmete Subreddit jedoch sprudelt nur so über vor Beschwerden über das eintönige Late-game, in dem offenbar neben einer Reihe an täglichen Aufgaben nicht mehr viel zu tun bleibt. Glücklicherweise war das aber noch lange nicht alles! Zumindest hat der Entwickler miHoYo nach eigenen Angaben noch viel geplant. Da das Spiel auf allen Plattformen kostenlos zum Download bereitsteht und kontinuierlich geupdated werden soll, können wir also gespannt sein.

Ein Zelda-Klon – und doch so viel mehr

Genshin Impact hat mich persönlich extrem positiv überrascht. Zelda: Breath of the Wild habe ich zwar ebenfalls sehr gerne gespielt, kann aber dessen Langatmigkeit über gewisse sowie die ein oder andere zweifelhaft Design- beziehungsweise Gameplay-Entscheidung nicht leugnen. Nun, meine Hoffnungen wurden gänzlich übertroffen. Das Anime-Spiel pickt sich die guten Elemente des Vorbilds heraus und kombiniert sie mit neuen Elementen zu etwas ganz Eigenem.

Genshin Impact: Ein grün gekleideter Barde spielt Leier. Im Hintergrund sind vier weitere Figuren zu sehen. Anime-Zeichenstil
Genshin Impact: Venti

Handlung, Charaktere, Gameplay, Kämpfe – in all diesen Aspekten überzeugt Genshin Impact auf ganzer Linie. Sicherlich zieht das Gacha-System die Bewertung etwas nach unten, denn ich hätte mit Freuden einen angemessenen Preis für ein fertiges Spiel völlig ohne In-Game-Käufe gezahlt. Dennoch handelt es sich hier nicht um ein Pay-to-Win-Verfahren (mein persönliches K.O.-Kriterium). Genshin Impact lässt sich hervorragend durchspielen, ganz ohne einen einzigen Cent auszugeben, denn auch innerhalb des Spiels gibt es noch diverse Möglichkeiten, an die Währung für die begehrten Lootboxen zu gelangen, was völlig ausreicht, um mit etwas Glück eine kleine Sammlung guter Charaktere und Waffen zu zusammenzustellen.

Insgesamt besitzt Genshin Impact – nicht zuletzt aufgrund der spaßigen Kampfmechanik – einen hohen Wiederspielwert. Da es völlig kostenlos und für eine ganze Reihe an Plattformen angeboten wird, kann ich nur jedem ans Herz legen, dem neuen High-Fantasy-Epos aus chinesischem Hause eine Chance zu geben.

Kurz & Bündig

PositivNegativ
GameplayAbwechslungsreich,
Co-op (Cross-Plattform) möglich ★
Gacha-System ☆
SpannungStarke Quests & komplexes Kampfsystem ★Eintöniges Late-game ☆
CharaktereCharakterstark ★
SettingDetailreich & liebevoll ★
HandlungPackend & authentisch ★

Bewertung: ★ ★ ★ ★ ☆


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