Titel: | Dragon’s Dogma |
Publisher: | Netflix |
Produktion: | Shinya Sugai, Tomohisa Nishimura, Kurasumi Sunayama |
Erstveröffentlichung: | 17. September 2020 |
Dragon’s Dogma – Offizieller Trailer
Dragon’s Dogma zwischen Anime & CGI
Mit der Ankündigung von Dragon’s Dogma löste Netflix im vergangenen Jahr einen großen Hype in einer kleinen Ecke der Gamingcommunity aus. Endlich nahm sich jemand dem Liebhabertitel Dragon’s Dogma an, der seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2012 immer ein Stück weit hinter den nur wenige Monate zuvor publizierten Fantasy-RPG-Meilensteinen The Elder Scrolls V: Skyrim und Dark Souls zurückstand.
Capcoms Videospiel war keine große Revolution, überzeugte aber als Action-RPG mit einer packenden Story, authentischen Quests, einem Companionsystem und einer elaborierten Kampftechnik, die sich überwiegend auf riesige Gegner stützt, an denen sich die Spieler*innenfigur unter anderem festhalten und hochklettern kann. Abgesehen von den individuellen Pawns, den nichtmenschlichen Beschützern des «Arisen», von denen einer selbst erstellt und zwei weitere von anderen Spielern «ausgeliehen» werden, verbindet Dragon’s Dogma das komplexe Erkundungs- und Questschema aus Skyrim mit Dark Souls’ anspruchsvollen und Abwechslungsreichen Kampfsystem.
So viel zur Vorlage – die Frage hier lautet nun: Kann der Netflix-Anime mit Capcoms Game mithalten? Ist der Titel auf die Fanbase zugeschnitten oder spricht er eine weite Zuschauerschaft an? Stöbert man ein wenig durch die Rezensionen im Netz, so schlagen einem überwiegend gemischte Gefühle und viel Enttäuschung entgegen. Diese Einstellung teile ich allerdings nur bedingt.
Der Protagonist Ethan, ein introvertierter junger Mann, ist im Fischerdorf Cassardis zuhause, das gleich in der ersten Folge von einem Drachen verwüstet wird – dem ersten seit über 100 Jahren! Doch der Drache ist eigentlich nur aus dem einen Grund gekommen, Ethan das Herz zu stehlen, im wortwörtlichen Sinne, was diesen zu einem «Arisen» macht. Soweit orientiert sich die Ausgangssituation beinahe Haargenau an der spielerischen Vorlage, mit dem einzigen Unterschied, dass der Avatar dort eine durch die Spielenden erstellte und personalisierte Figur ist. In der Serie wird dem Protagonisten Ethan in dieser ersten Episode mit Frau und Kind bereits alles genommen und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich mit seinem Pawn Hannah, einer Art emotionslosem Sidekick, auf einen langen Rachefeldzug zu begeben, um den Drachen letztendlich niederzustrecken und die Menschen zu beschützen. Erklärt wird das Ganze im Anime nur allerdings sehr vage, was aus der Perspektive eines Publikums, das mit dem Universum nicht schon aus dem Game vertraut ist, eher wie ein Plothole wirken mag. Der im Verlauf der Serie mehrmals wiederholte Catchphrase des Drachen dagegen bringt die gesamte Storyline auf den Punkt: «When thou peers into the dark, the dark peers into thee.»
Von der eigentlichen Heldenreise, die nun beginnt, können die Zuschauenden nur fünf kurze Episoden miterleben, bis das Duo in der finalen siebten Folge endlich dem langersehnten Drachen gegenübersteht. Im Großen und Ganzen orientiert sich die Handlung weiterhin sehr stark am Spiel, wirkt aber wie eine abgespeckte und maximal gekürzte Version davon. Die Höhepunkte der kurzen Abschnitte stellen stets die aufwändigen Kampfszenen mit zumeist riesigen Gegnern dar, welche dem Videospiel unmittelbar entsprungen zu sein scheinen. Die phrasenhaften Dialoge werden dagegen eher mechanisch abgespult und dienen primär dazu, den stereotypischen Nebencharakteren genug Charakter zu verleihen, um sie letztendlich effektvoll in ihr jeweils ganz eigenes menschliches Versagen rennen zu lassen.
Das Hauptthema der Netflix-Serie stellen schließlich die Todsünden dar, was mit einem Blick auf die Titel der sieben Episoden nicht schwer zu erkennen ist: Wrath, Gluttony, Envy, Sloth, Greed, Lust und Pride. Leider bleibt auch für die Protagonisten Ethan und Hannah selbst nicht viel authentische Persönlichkeit übrig, doch diese Tatsache fügt sich erstaunlich gut in den auch sonst überwiegend minimalistischen Stil des Animes. Die Dynamik zwischen den beiden und ihre jeweilige Charakterentwicklung sind zwar vorhersehbar und spitzen sich auf das Finale hin zu, tragen aber gewissermaßen die gesamte Handlung und sorgen auf diese Weise für den notwendigen Grad an Unterhaltung.
Das Auffälligste – und auch zuhauf Kritisierte – an Netflix’ Dragon’s Dogma ist die Mischung eines klassischen, sehr kargen Anime-Zeichenstils mit sogenannter Computer Generated Imagery (CGI), also der computerbasierten Generierung von 3D-Elementen, wie sie in Videospielen üblich ist. Diese wird in der Serie in erster Linie eingesetzt, um die monsterhaften Gegner darzustellen. Wer das Spiel kennt, erlebt hier zahlreiche Déja-vus, denn ob Zyklop, Greif, Lich oder der Drache selbst, alle entstammen sie präzise der Gaming-Vorlage, was nicht nur CGI und Graphik, sondern auch Details wie bestimmte körperliche Merkmale einschließt. Viele mögen hier die im Gesamten uneinheitlich und mitunter klobig wirkenden Animationen kritisieren. Ich selbst sehe darin allerdings eine gewagte, aber durchaus gelungene Synthese zweier Medien, die mich als Zuschauende immer wieder in Momente des Spiels zurückversetzt – und das rein über die visuelle Darstellung. Nicht zuletzt spielt an diesem Punkt der finale Kampf mit dem Drachen eine maßgebliche Rolle, der beinahe die gesamte letzte Folge vereinnahmt und in den verschiedenen erzählerischen Abschnitten detailgenau den spielerischen Endkampf wiedergibt.
Wird Netflix‘ Dragon’s Dogma der Vorlage gerecht?
Die kurze Antwort auf die Frage, ob Netflix’ Dragon’s Dogma der Spielvorlage gerecht wird, lautet: Nein.
Doch eine solch einfache Feststellung kann der Frage niemals gerecht werden. Schließlich stellt sich mit dem Videospiel und der Webserie der Vergleich zweier Genres, die kaum auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden können. Wo sich Capcoms Game durch seinen hohen Grad an Interaktion, seine komplexe Story und das ausgearbeitete Kampfsystem auszeichnet, wählten die Entwickler der Serie einen völlig anderen Ansatz. So spielt das menschliche Versagen zwar auch im Spiel eine ganz grundlegende Rolle, wird in der Serie jedoch zum tragenden Thema. Jede Folge ist einer Sünde gewidmet, was stets einen schalen, bedrückenden Nachgeschmack hinterlässt. Aber: Genau darin liegt das Potential des Animes.
Trotz der einfachen Erzählstrukturen und stereotypischen Charaktere entsteht eine Atmosphäre, welche die menschliche Gesellschaft erschreckend treffend widerspiegelt. Die Handlung folgt bei aller Simplizität einem kohärenten Erzählstrang mit klassischem Spannungsbogen. Dabei verfügen die Charaktere der Protagonisten zwar über nicht sonderlich viel Tiefe, wirken aber dennoch durchaus sympathisch, was schließlich auch ihre persönlichen Konflikte greifbar werden lässt. Wer außerdem das Game kennt, wird auch den unwiderruflichen Twist der Serie schnell erahnen können – dennoch verleihen die Entwickler den Figuren zum Ende hin genug Eigendynamik, um ihnen ein erinnerungswertes Finale zu verpassen.
Im Gesamten ist Dragon’s Dogma auf jeden Fall sehenswert, unabhängig davon, ob man sich zur Fanbase des Videospiels zählt oder mit dem Universum noch nicht vertraut ist. Es handelt sich bei Dragon’s Dogma um alles andere als leichte Kost, denn bei aller Einfachheit werden sehr düstere und ernste Thematiken angesprochen. Letztendlich wird das Publikum von der minimalistischen Handlung allgemein und vom Drachen explizit dazu aufgefordert, die eigenen Abgründe und die Dynamik des menschlichen Zusammenlebens zu hinterfragen. Dies mag zwar aus einer philosophischen Sicht relativ banal sein, regt aber nichtsdestotrotz zum Nachdenken an.
When thou peers into the dark, the dark peers into thee.
Kurz & Bündig
Positiv | Negativ | |
---|---|---|
Erzählstil | Minimalistisch ★ | – |
Spannung | – | Relativ vorhersehbar ☆ |
Charaktere | – | Stereotypisch ☆ |
Setting | Nostalgisch ★ | – |
Handlung | Einfach, aber ansprechend ★ | – |
Bewertung: ★ ★ ★ ☆ ☆
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